18.10.2024
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Dokument-Nr. 22891

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Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss12.07.2016

Keine Übernahme von Kaiser´s Tengelmann durch EDEKAOLG Düsseldorf stoppt Minis­ter­er­laubnis

Das Oberlan­des­gericht Düsseldorf hat die Erlaubnis des Bundesministers für Wirtschaft und Energie Sigmar Gabriel zur Übernahme von Kaiser´s Tengelmann durch EDEKA zunächst außer Kraft gesetzt. Die Erlaubnis erwies sich schon nach einer vorläufigen Prüfung im Eilverfahren als rechtswidrig.

Das Oberlan­des­gericht gelangte im Rahmen seiner vorläufigen Prüfung zu dem Ergebnis, dass die erteilte Minis­ter­er­laubnis unter mehreren, nachfolgend nicht abschließend aufgeführten Gesichtspunkten rechtswidrig sei.

Besorgnis der Befangenheit des Bundes­wirt­schafts­mi­nisters

Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie habe über die Erteilung der Erlaubnis nicht entscheiden dürfen, da sein Verhalten im Erlaub­nis­ver­fahren die Besorgnis seiner Befangenheit und fehlenden Neutralität begründe. Der Minister habe in der entscheidenden Phase des Erlaub­nis­ver­fahrens mit EDEKA und Kaiser´s Tengelmann geheime Gespräche geführt.

So sei zunächst am 16. November 2015 mit allen Beteiligten über die Voraussetzungen zur Erteilung einer Minis­ter­er­laubnis mündlich verhandelt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe ein, am 30. November 2015 auch schriftlich ausgeführtes, Angebot von REWE zur Übernahme von Kaiser´s Tengelmann vorgelegen. Dieses habe den Erhalt aller 16.000 Arbeitsplätze bei Kaiser´s Tengelmann vorgesehen. Das zu diesem Zeitpunkt vorliegende Übernah­me­angebot von EDEKA hingegen habe u. a. einen signifikanten Arbeits­platzabbau bei Kaiser´s Tengelmann geplant. Unter diesen Voraussetzungen habe eine Minis­ter­er­laubnis zur Übernahme von Kaiser´s Tengelmann durch EDEKA nicht erteilt werden dürfen. Erst im Januar 2016 habe EDEKA sein Übernah­me­angebot dann substantiell erweitert und es dem Angebot von REWE angepasst.

Wie sich im Laufe des Beschwer­de­ver­fahrens aufgrund der Anforderung von Akten durch den Senat beim Bundes­wirt­schafts­mi­nis­terium jedoch herausgestellt habe, seien auf Veranlassung des Bundesministers am 1. und 16. Dezember 2015 "Sechs-Augen-Gespräche" zwischen ihm, dem Vorstands­vor­sit­zenden von EDEKA, Herrn M. sowie dem Miteigentümer von Kaiser´s Tengelmann, Herrn H., zur Minis­ter­er­laubnis geführt worden. Der Inhalt dieser Gespräche sei nicht aktenkundig gemacht worden und die Gespräche ohne Kenntnis und unter Ausschluss der weiteren Beteiligten, insbesondere REWE, geführt worden. Auch eine im Rahmen der Gespräche dem Minister übergebene rechtliche Stellungnahme zur Unwirksamkeit des Übernah­me­an­gebots von REWE sei vertraulich behandelt und den anderen Verfah­rens­be­tei­ligten nicht zur Kenntnis gebracht worden.

Der Minister habe daher die für ein transparentes, objektives und faires Verfahren unverzichtbare gleichmäßige Einbeziehung und Information aller Verfah­rens­be­tei­ligten unterlassen.

Erhalt der Arbeit­neh­mer­rechte bei Kaiser´s Tengelmann kein Gemein­wohl­belang

Die Minis­ter­er­laubnis sei darüber hinaus rechtswidrig, da der Bundesminister bei seiner Entscheidung zu Unrecht den Erhalt der kollektiven Arbeit­neh­mer­rechte (z. B. Tarifverträge u. ä.) bei Kaiser´s Tengelmann als einen Gemein­wohl­belang berücksichtigt habe. Das im Grundgesetz in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 schrankenlos gewährte Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschafts­be­din­gungen Vereinigungen (Gewerkschaften) zu bilden, beinhalte gleichrangig und unterschiedslos das Recht, einer solchen Vereinigung auch fern zu bleiben, sich also nicht gewerk­schaftlich zu organisieren. Aufgrund dieser verfas­sungs­recht­lichen Gleich­ran­gigkeit könnten der Erhalt und die Sicherung bestehender kollektiver Arbeit­neh­mer­rechte kein Gemein­wohl­belang sein, welches die ministerielle Erlaubnis einer wettbe­wer­bs­schäd­lichen Unter­neh­mens­fusion rechtfertigen könne. Andernfalls würde der Bildung von Arbeit­neh­mer­ver­ei­ni­gungen ein höherer Rang eingeräumt als dem Verzicht auf diese. Diese Annahme widerspreche jedoch der Verfassung

Arbeits­platz­si­cherung auf unvollständiger Tatsa­chen­grundlage bewertet

Die Minis­ter­er­laubnis könne voraussichtlich auch deshalb keinen Bestand haben, da der Bundes­wirt­schafts­mi­nister den Gemein­wohl­belang der Arbeitsplatz- und Beschäf­ti­gungs­si­cherung bei Kaiser´s Tengelmann nicht unter Berück­sich­tigung aller relevanten Gesichtspunkte bewertet habe.

So gehe der Minister davon aus, dass durch die Neben­be­stim­mungen der Erlaubnis die Sicherung der rund 16.000 Arbeitsplätze bei Kaiser´s Tengelmann gewährleistet sei. Den Gründen der Minis­ter­er­laubnis sei jedoch nicht zu entnehmen, ob und in welchem Umfang die Möglichkeit eines fusions­be­dingten Stellenabbaus bei EDEKA in die Abwägungs­ent­scheidung einbezogen wurde. Diese Möglichkeit habe aber bei den Abwägungs­über­le­gungen berücksichtigt werden müssen. Denn den Angaben von EDEKA bis zum Ende des Verhand­lungs­termins am 16. November 2015 sei deutlich zu entnehmen, dass der geplante Unter­neh­mens­zu­sam­men­schluss aus Sicht von EDEKA bei kaufmännisch vernünftigem Handeln mit einem erheblichen Personalabbau verbunden sein müsse.

Darüber hinaus seien die verfügten Neben­be­stim­mungen auch nicht geeignet, die 16.000 Arbeitsplätze bei Kaiser´s Tengelmann in vollem Umfang zu sichern. Die Neben­be­stim­mungen enthielten Klauseln, die einen Arbeits­platzabbau auch innerhalb des zu sichernden Fünf-Jahreszeitraums mit Zustimmung der Tarifparteien zuließen. Auch seien einzelne Neben­be­stim­mungen nicht ausreichend bestimmt.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat das Rechtsmittel der Rechts­be­schwerde zum Bundes­ge­richtshof (BGH) nicht zugelassen. Insbesondere der der Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsbegriff der Besorgnis der Befangenheit beruhe auf einer gefestigten, höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung.

Dem Bundesminister sowie EDEKA und Kaiser´s Tengelmann stehen das Rechtsmittel der Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde zum BGH zur Verfügung. Im Falle der Einlegung dieses Rechtsmittels überprüft der BGH, ob die Nichtzulassung der Rechts­be­schwerde durch den Senat aus zutreffenden Gründen erfolgt ist. Andernfalls kann der BGH die Rechts­be­schwerde zulassen und die Eilentscheidung des Senats überprüfen.

Quelle: Oberlandesgericht Düsseldorf/ra-online

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