21.11.2024
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Oberlandesgericht Dresden Urteil16.11.2010

OLG Dresden: Bauern müssen wegen Molkerei-Blockade Schadenersatz zahlenRechtsordnung gestattet keine zwangsweise oder selbst­hil­fe­ähnliche Durchsetzung von Interessen

Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, der Landes­bau­ern­verband Brandenburg sowie weitere an einer Protestaktion vom 1.-3- Juni 2008 beteiligten Personen wurden vom Oberlan­des­gericht Dresden zur Unterlassung künftiger Blockaden des Milchwerkes der Klägerin in Leppersdorf verurteilt.

Zugleich hat der Senat festgestellt, dass die Beklagten (mit Ausnahme der Beklagten zu 3 und zu 11, denen kein relevanter Tatbeitrag zur Last fällt) zum Ersatz des durch die Blockade der Zufahrt zum Werksgelände entstandenen Schadens verpflichtet sind.

Durch Blockade wurde rechtswidrig in eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen

Die Beklagten haben nach der Begründung des Senats mit der mehrtägigen Blockade der Zufahrt zum Werksgelände der Klägerin und weiterer dort ansässiger Unternehmen in deren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb rechtswidrig eingegriffen. Wie beabsichtigt sei die Anlieferung von Rohmilch und die Auslieferung von Milchprodukten verhindert und dadurch zumindest zeitweise eine Einstellung der Produktion herbeigeführt worden. Eine haftungs­rechtliche Verant­wort­lichkeit treffe dabei jeden, der sich an einer solchen schadens­stif­tenden Blockade in Kenntnis ihres Zieles beteiligt habe. Dies setze nicht zwingend eine physische Mitwirkung voraus, auch eine psychische Beteiligung - durch Unterstützung des rechtswidrigen Eingriffs, getragen von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechts­gut­ver­letzung gerichteten Willen - sei möglich. Daher sei der Beklagte zu 2), welcher in einem Info-Brief gezielt zur Teilnahme an der Blockade aufgefordert habe, für den eingetretenen Schaden verantwortlich. Auch der Beklagte zu 1) habe die Aktion maßgeblich unterstützt. Hinsichtlich der Beklagten zu 4) - 10) sowie 12) und 13) hat der Senat eine Anwesenheit vor Ort und eine zumindest zeitweilige Beteiligung an der Blockade festgestellt.

Beklagte können sich nicht auf freie Meinung­s­äu­ßerung und Versamm­lungs­freiheit berufen

Den Teilnehmern sei es dabei von vornherein nicht allein um die Kundgabe ihrer Meinung und die Information der Öffentlichkeit über die von ihnen als zu niedrig empfundenen Rohmilchpreise gegangen, sondern auch um die Ausübung wirtschaft­lichen Drucks zur Durchsetzung ihrer Interessen. Selbst wenn die Forderungen der Milchbauern als berechtigt anzusehen wären, bliebe die zeitweilige Stilllegung des Werksgeländes eine von der Rechtsordnung nicht gedeckte Selbsthilfe. Auf das Recht zur freien Meinung­s­äu­ßerung und die Versammlungsfreiheit, welche als Grundrechte ohnehin in erster Linie auf die Begrenzung staatlichen Handelns abzielten, könnten sich die Beklagten nicht berufen. Denn diesen Rechten stünden ebenfalls grundrechtlich abgesicherte Positionen der Klägerin - aus Art. 12 GG (Berufsfreiheit) und aus Art. 14 GG (Eigentum) - gegenüber, die hier nicht zurückzutreten hätten. Versammlungs- und Meinungsfreiheit seien darauf angelegt, die (kollektive) Kundgabe von Standpunkten in der der demokratischen Gesellschaft immanenten Ausein­an­der­setzung der Meinungen mit geistigen Mitteln zu gewährleisten. Die zwangsweise oder sonst selbst­hil­fe­ähnliche Durchsetzung von Interessen gestatte die Rechtsordnung hingegen nicht. Maßnahmen, die nicht zur Überzeugung der Gegenseite im Meinungskampf, sondern dazu führen sollen, dass die Gegenseite sich einem auf sie ausgeübten Zwang beugt, seien von der Versamm­lungs­freiheit nicht gedeckt.

Quelle: Oberlandesgericht Dresden/ ra-online

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