Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Januar 1985 wurde eine Fußgängerin auf dem Bürgersteig von einem herabgefallenen Eiszapfen am Kopf verletzt. Sie erlitt dadurch eine Gehirnerschütterung. Der Eiszapfen fiel von einem viergeschossigen Geschäftshaus aus einer Höhe von etwa 13 m. Die Fußgängerin meinte, der Hauseigentümer habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, da er die Eiszapfen an seinem Haus nicht entfernte. Sie klagte daher auf Zahlung von Schadenersatz.
Das Oberlandesgericht Celle entschied gegen die Fußgängerin. Ihr habe kein Anspruch auf Schadenersatz wegen des herabgefallenen Eiszapfens zugestanden. Das Gericht verwies in diesem Zusammenhang zunächst darauf, dass ein Hauseigentümer verpflichtet sei, bei Vorliegen besonderer Umstände besondere Vorkehrungen gegen Dachlawinen zu treffen (vgl. BGH, Urteil v. 8.12.1954 - VI ZR 289/53 = NJW 1955, 300; OLG Celle, Urteil v. 19.3.1980 - 9 U 204/79 = VersR 1982, 775). Dies gelte aber nicht für Eiszapfen. Denn gegen das Herabfallen von Eiszapfen gebe es vielfach keine sicheren Vorkehrungen.
Ein Herabfallen der Eiszapfen könne zwar durch ein Abschlagen verhindert werden, so das Oberlandesgericht weiter. Ob dies aber möglich und zumutbar ist, richte sich nach jedem Einzelfall. So könne es etwa für einen Eigentümer eines Einfamilienhauses möglich und zumutbar sein die Eiszapfen mit Hilfe eines langen Stocks zu entfernen. Anders sehe dies jedoch bei dem Eigentümer eines mehrgeschossigen Gebäudes aus. So habe der Fall hier gelegen. Dem Hauseigentümer sei es angesichts der Gefahren für ihn und den Passanten nicht zuzumuten gewesen etwa mit Hilfe einer langen Leiter die in 13 Metern Höhe hängenden Eiszapfen zu entfernen.
Der Hauseigentümer habe nach Ansicht des Oberlandesgerichts auch nicht die Feuerwehr zum Entfernen der Eiszapfen rufen müssen. Denn es sei zu beachten gewesen, dass diese angesichts der flächenmäßig aufgetretenen Eiszapfen nicht in der Lage war sämtliche Häuser an einem Tag von Eiszapfen zu befreien. Zumal die Feuerwehr noch andere Aufgaben habe als Eiszapfen zu entfernen.
Der Hauseigentümer habe nach Auffassung des Oberlandesgerichts auch nicht den Bürgersteig absperren müssen. Zum einen wäre er dazu nicht befugt gewesen. Zum anderen hätte dies zu einer unzumutbaren Einschränkung der nutzbaren Fläche des Bürgersteigs und damit zu einer Behinderung des Fußgängerverkehrs geführt.
Angesichts dessen, das jeder Passant bei winterlichen Verhältnissen mit Eiszapfen rechnen musste, verneinte das Oberlandesgericht auch eine Pflicht zum Aufstellen von Warnhinweisen. Bedenkt man, dass eine entsprechende Pflicht dazu geführt hätte, dass unter Umständen ganze Straßenzüge mit Warnhinweisen versehen werden müssten, erschien dem Oberlandesgericht die Effektivität solcher Warnungen fraglich.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 04.02.2014
Quelle: Oberlandesgericht Celle, ra-online (zt/NJW-RR 1988, 663/rb)