Im zugrunde liegenden Streitfall war der spätere Kläger an einem Nachmittag im Januar mit seinem Pkw auf auf einer stark befahrenen Durchgangsstraße in einer Großstadt unterwegs. Hinter einer Baustelle fuhr er nach dem Wiedereinscheren auf die rechte Fahrbahn in ein Schlagloch mit einer Tiefe von 20 cm. Hierdurch kam es zur Beschädigung eines Reifens und zweier Felgen.
Der Autofahrer verklagte daraufhin die Stadt auf Schadensersatz für seine Autoreparatur, da er der Auffassung war, die Stadt habe durch das vorhandene Loch in der Straße ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt.
Das Landgericht Hannover wies seine Klage ab. Die Berufung des Klägers war vor dem Oberlandesgericht Celle jedoch erfolgreich. Entgegen der Ansicht des Landgerichts läge bei dem vorhandenen Schlagloch mit einer unstreitigen Tiefe von 20 cm durchaus eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht seitens der Stadt vor. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Geschwindigkeit wegen Fahrbahnschäden auf 30 km/h reduziert wurde, ein Schild auf eine „schlechte Wegstrecke“ bzw. „Straßenschäden“ hinwies und die Straße sich insgesamt in einem erkennbar schlechten Zustand befand.
Auch wenn ein offenkundig schlechter Straßenzustand in der Regel „vor sich selbst warnt“, entlastet dies die Stadt von ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht vollständig. Bei Schlaglöchern mit einer Tiefe von um die 20 cm könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass ein Autofahrer bei schlechten Fahrbahnen mit solchen gravierenden Unebenheiten rechne und er sich auf diese einstellen müsse.
Auch eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h und das Aufstellen von Zusatzschilder „Schlechte Wegstrecke“ bzw. „Straßenschäden“ reiche bei so gravierenden Straßenschäden wie im vorliegenden Fall nicht aus. Eine ordnungsgemäße Befahrbarkeit der Straße müsse in jedem Fall gewährleistet sein, urteilte das Gericht. Sei dies wegen der Größe und Tiefe eines Schlagloches nicht der Fall, müsse entweder die Gefahrenstelle beseitigt oder diese zumindest so abgesperrt werden, dass Verkehrsteilnehmer an ihr vorbeigeleitet würden.
Die Stadt müsse sich auch deshalb eine Mitschuld zurechnen lassen, weil sie die Zustände der Straßen nicht ausreichend oft kontrolliert habe. Gerade im Winter sei eine Kontrolle in einem Turnus von einmal im Monat oder einmal in der Woche zu wenig. Die Straße des vorliegenden Falls sei eine stark befahrene Hauptstraße, die gerade im Winter mehrmals wöchentlich auf Straßenschäden kontrolliert werden müsse, so das Gericht.
Dennoch trage auch der Autofahrer schließlich eine Mitschuld von 50 %, da er gegen das Sichtfahrgebot des § 3 Abs. 1 S. 4 StVO verstoßen habe. Hiernach darf der Kraftfahrer nur so schnell fahren, dass er innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten kann. Da das Schlagloch sich nicht unmittelbar hinter der Baustelle befand, sondern der Kläger dieses erst nach weiteren 50 - 100 m überfuhr, sei nicht ersichtlich, warum er nicht noch habe anhalten oder ausweichen können.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.12.2010
Quelle: ra-online (ac)