18.10.2024
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Dokument-Nr. 30385

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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Urteil16.04.2021

Berufung eines Bundes­polizei­beamten gegen seine Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis erfolglosOVG Niedersachsen bestätigt Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Hannover

Das Nieder­säch­sischen Ober­verwaltungs­gerichts hat mit Urteil vom 16. April 2021 die Berufung eines Bundes­polizei­beamten gegen ein am 23. Oktober 2019 ergangenes Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Hannover zurückgewiesen. Mit dem von dem beklagten Polizei­o­ber­meister angegriffenen Urteil hat das Verwal­tungs­gericht der auf die Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis gerichteten Klage der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundes­polizei­direktion Hannover, stattgegeben. Das Ober­verwaltungs­gerichts hat das Urteil des Verwal­tungs­ge­richts bestätigt, so dass es bei der Entfernung des Polizei­o­ber­meisters aus dem Beamten­ver­hältnis bleibt.

Der Entscheidung liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Der Polizeiobermeister wurde seit Juni 2009 bei der Bundes­po­li­zei­di­rektion Hannover verwendet. Nachdem im Februar 2015 gegen ihn ein Diszi­pli­na­r­ver­fahren eingeleitet worden war, wurde ihm im Mai 2015 zunächst die Führung der Dienstgeschäfte verboten. Ende Juli 2015 wurde er vorläufig des Dienstes enthoben; seine Dienstbezüge wurden ab November 2015 gekürzt. Das Diszi­pli­na­r­ver­fahren wurde mehrfach ausgeweitet. Mit der im Januar 2019 erhobenen Diszi­pli­na­rklage hat die Bundes­po­li­zei­di­rektion Hannover dem Polizei­o­ber­meister zahlreiche inner- und außer­dienstliche Pflich­ten­verstöße vorgeworfen. Dazu haben neben etlichen anderen Vorwürfen die strafrechtlich geahndeten Vorwürfe des Verleumdens und des unberechtigten Fotografierens eines in Gewahrsam genommenen marokkanischen Staats­an­ge­hörigen, des Verbreitens des von dem marokkanischen Staats­an­ge­hörigen gefertigten Fotos, des unerlaubten Besitzes von Munition und einer Schusswaffe sowie des unerlaubten Besitzes von 120 kinder- und 188 jugend­por­no­gra­phischen Schriften gehört. Insoweit war der Polizei­o­ber­meister zuvor bereits zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von acht Monaten und drei Wochen, die zur Bewährung ausgesetzt worden war, verurteilt worden. Der Diszi­pli­na­rklage hat ferner der Vorwurf des unauf­ge­for­derten Versendens eines porno­gra­phischen Fotos an eine 14jährige zugrunde gelegen. Insoweit war gegen den Polizei­o­ber­meister strafrechtlich eine Geldstrafe verhängt worden.

Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis wegen schwerer Dienst­ver­feh­lungen

Das VG Hannover hat gegen den Polizei­o­ber­meister die diszi­pli­na­rische Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis verhängt. Das Oberver­wal­tungs­gericht hat die Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts im Berufungs­ver­fahren als richtig bestätigt und deshalb die Berufung des Polizei­o­ber­meisters zurückgewiesen. Er ist zu der Einschätzung gelangt, dass der Polizei­o­ber­meister in der Zeit von 2010 bis 2015 zahlreiche gravierende Dienst­pflicht­ver­let­zungen und damit ein sehr schwerwiegendes Dienstvergehen begangen habe. Der Polizei­o­ber­meister habe schon allein mit den strafrechtlich geahndeten Taten in ganz erheblicher Weise gegen die ihm als Polizeibeamten obliegenden Pflichten verstoßen. Er habe darüber hinaus mehrere weitere gravierende Dienst­pflicht­ver­let­zungen begangen. Es sei als erwiesen anzusehen, dass er einem Kollegen eine WhatsApp-Nachricht mit herab­wür­di­genden Äußerungen über einen Ausländer übersandt habe. Er habe außerdem mit seinem Handy ein Foto von einem in Gewahrsam Genommenen, der in wehrloser Position auf dem Boden eines Dienstfahrzeugs gelegen habe, gefertigt. Er habe ferner sowohl eine Polizei­an­wärterin als auch einen Polizeianwärter während des Dienstes sexuell belästigt. Dabei habe er dem Polizeianwärter während der Verfehlung seine Dienstwaffe an den Kopf gehalten und ihn zu einer sexuellen Handlung aufgefordert. Er habe zudem während des Dienstes im hinteren Teil seines Dienstfahrzeugs einvernehmlich mit einer Bekannten sexuelle Handlungen vollzogen, während ein Kollege vorn im Fahrzeug gesessen habe. Er habe schließlich vertrauliche Informationen, die er in seiner Eigenschaft als Suchthelfer der Bundes­po­li­zei­in­spektion Hannover erlangt habe, unbefugt weitergegeben.

Keine "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase" als Milderungsgrund

Das von dem Polizei­o­ber­meister begangene Dienstvergehen erfordert nach Auffassung des 6. Senats den Ausspruch der diszi­pli­nar­recht­lichen Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis. Die von dem Polizei­o­ber­meister begangenen Straftaten seien angesichts der Vorbildfunktion eines Polizeibeamten nicht hinnehmbar. Dies gelte auch für die weiteren Pflicht­ver­let­zungen, die nicht strafrechtlich geahndet worden seien. Entlastende Gesichtspunkte, die es rechtfertigen könnten, von der diszi­pli­na­rischen Höchstmaßnahme abzusehen, bestünden nicht. Insbesondere der von dem Polizei­o­ber­meister geltend gemachte Milderungsgrund einer „Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ liege nicht vor. Selbst wenn das Vorbringen des Polizei­o­ber­meisters dazu als wahr unterstellt würde, habe es bereits an einer zugespitzten negativen Lebensphase gefehlt, die für die Begehung der Taten unmittelbar ursächlich gewesen wäre. Denn die von ihm vorgetragenen belastenden Umstände seien fortdauernd während einer langen Zeitspanne von etwa fünf Jahren aufgetreten. Gegen die Annahme, dass den Polizei­o­ber­meister im Tatzeitraum außer­ge­wöhnliche Umstände „zeitweilig aus der Bahn geworfen" hätten, spreche zudem auch, dass er während der gesamten Zeit in der Lage gewesen sei, seinen Dienst zu verrichten, eine Nebentätigkeit als „Leiter einer Selbst­hil­fe­gruppe für Suchtkranke im Diakonischen Werk“ auszuüben und als Sucht- und Sozialhelfer bei der Bundes­po­li­zei­di­rektion Hannover tätig zu sein. Die Gesamtwürdigung der den Polizei­o­ber­meister belastenden Umstände und der zu seinen Gunsten sprechenden entlastenden Gesichtspunkte ergebe, dass sich der Polizei­o­ber­meister im Hinblick auf die Erfüllung seiner Dienstpflichten als Polizeibeamter in einem so hohen Maße als unzuverlässig erwiesen habe, dass er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren habe. Der durch die gravierenden Dienst­pflicht­ver­let­zungen eingetretene Autoritäts- und Ansehensverlust könne nach der Überzeugung des Gerichts nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Quelle: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, ra-online (pm/aw)

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