Dokument-Nr. 6887
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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Beschluss24.10.2008
Propagandalied der Hitlerjugend im Unterricht: Lehrer zu Recht vorläufig entlassenÖffentliche Interessen an der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung überwiegen
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat es abgelehnt, einem Lehrer gegen seine von der Landesschulbehörde unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.
Der Lehrer hatte am 6. Februar 2008 während des in einer 10. Klasse eines Delmenhorster Gymnasiums erteilten Musikunterrichts die Geschichte des Propagandaliedes der Hitlerjugend "Vorwärts, Vorwärts! schmettern die hellen Fanfaren" behandelt. Autor des in der Zeit des Nationalsozialismus' geschriebenen Liedes ist Baldur von Schirach, Politiker der NSDAP und Reichsjugendführer, der im Nürnberger Prozess als einer der Hauptkriegsverbrecher wegen Verbrechens gegen die Menschheit vom Internationalen Militärgerichtshof verurteilt worden ist. Der Lehrer hatte die Noten und den Text des Liedes verteilt und die Schüler aufgefordert, das Lied im Stehen zu singen und dabei den rechten Arm zum Hitlergruß auszustrecken. Während einige der Schüler das Lied gemeinsam mit dem den Hitlergruß zeigenden Lehrer gesungen hatten, hatte sich ein Teil der Klasse geweigert. Ein daraufhin geführtes Dienstgespräch gab der Landesschulbehörde Anlass, den Lehrer nach diesem Vorfall amtsärztlich untersuchen zu lassen. Sie hat ihn auf der Grundlage des amtsärztlichen Gutachtens unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Ablauf des 30. Juni 2008 aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen, weil er dienstunfähig sei. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hatte dem Antrag des Lehrers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entsprochen und die Vollziehung der Entlassungsverfügung ausgesetzt (Beschl. v. 13. August 2008 - 6 B 1768/08 -).
Beschwerde beim OVG
Gegen diese Entscheidung hatte die Landesschulbehörde Beschwerde eingelegt, der das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht stattgegeben hat. Der 5. Senat hat die Erfolgsaussichten der Klage des Lehrers gegen die Entlassungsverfügung, über die das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden hat, als offen beurteilt, weil die Frage, ob der Lehrer dienstunfähig ist, in den von der Landesschulbehörde eingeholten ärztlichen Gutachten und in privatärztlichen Gutachten, die der Lehrer vorgelegt hat, unterschiedlich und von dem jeweils vertretenen medizinischen Standpunkt aus nachvollziehbar beurteilt worden ist. Angesichts dessen hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die Interessen des Lehrers und der Landesschulbehörde gegeneinander abgewogen. Es ist zu der Einschätzung gelangt, dass die schwerwiegenden öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung, nämlich die Bezahlung eines möglicherweise dienstunfähigen Lehrers und die Unterrichtung von Schülern durch diesen Lehrer zu vermeiden sowie die Sicherstellung einer ausreichenden Unterrichtsversorgung, die Interessen des Lehrers an einer vorläufigen Weiterbeschäftigung überwiegen. Damit ist der Lehrer vorläufig aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen.
Gericht traf keine straf- und disziplinarrechtliche Entscheidung
Der 5. Senat hat in seinem Beschluss abschließend darauf hingewiesen, dass in diesem Verfahren nicht zu entscheiden war, wie das Verhalten des Lehrers in der Unterrichtsstunde straf- und disziplinarrechtlich zu würdigen ist.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 24.10.2008
Quelle: ra-online, OVG Niedersachsen
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