18.10.2024
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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Beschluss24.10.2008

Propagandalied der Hitlerjugend im Unterricht: Lehrer zu Recht vorläufig entlassenÖffentliche Interessen an der sofortigen Vollziehung der Entlas­sungs­ver­fügung überwiegen

Das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht hat es abgelehnt, einem Lehrer gegen seine von der Landes­schul­behörde unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte Entlassung aus dem Beamten­ver­hältnis auf Probe vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.

Der Lehrer hatte am 6. Februar 2008 während des in einer 10. Klasse eines Delmenhorster Gymnasiums erteilten Musik­un­ter­richts die Geschichte des Propa­gan­da­liedes der Hitlerjugend "Vorwärts, Vorwärts! schmettern die hellen Fanfaren" behandelt. Autor des in der Zeit des Natio­nal­so­zi­a­lismus' geschriebenen Liedes ist Baldur von Schirach, Politiker der NSDAP und Reichs­ju­gend­führer, der im Nürnberger Prozess als einer der Haupt­kriegs­ver­brecher wegen Verbrechens gegen die Menschheit vom Internationalen Militä­r­ge­richtshof verurteilt worden ist. Der Lehrer hatte die Noten und den Text des Liedes verteilt und die Schüler aufgefordert, das Lied im Stehen zu singen und dabei den rechten Arm zum Hitlergruß auszustrecken. Während einige der Schüler das Lied gemeinsam mit dem den Hitlergruß zeigenden Lehrer gesungen hatten, hatte sich ein Teil der Klasse geweigert. Ein daraufhin geführtes Dienstgespräch gab der Landes­schul­behörde Anlass, den Lehrer nach diesem Vorfall amtsärztlich untersuchen zu lassen. Sie hat ihn auf der Grundlage des amtsärztlichen Gutachtens unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Ablauf des 30. Juni 2008 aus dem Beamten­ver­hältnis auf Probe entlassen, weil er dienstunfähig sei. Das Verwal­tungs­gericht Oldenburg hatte dem Antrag des Lehrers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entsprochen und die Vollziehung der Entlas­sungs­ver­fügung ausgesetzt (Beschl. v. 13. August 2008 - 6 B 1768/08 -).

Beschwerde beim OVG

Gegen diese Entscheidung hatte die Landes­schul­behörde Beschwerde eingelegt, der das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht stattgegeben hat. Der 5. Senat hat die Erfolgs­aus­sichten der Klage des Lehrers gegen die Entlas­sungs­ver­fügung, über die das Verwal­tungs­gericht noch nicht entschieden hat, als offen beurteilt, weil die Frage, ob der Lehrer dienstunfähig ist, in den von der Landes­schul­behörde eingeholten ärztlichen Gutachten und in priva­t­ärzt­lichen Gutachten, die der Lehrer vorgelegt hat, unterschiedlich und von dem jeweils vertretenen medizinischen Standpunkt aus nachvollziehbar beurteilt worden ist. Angesichts dessen hat das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht die Interessen des Lehrers und der Landes­schul­behörde gegeneinander abgewogen. Es ist zu der Einschätzung gelangt, dass die schwerwiegenden öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung der Entlas­sungs­ver­fügung, nämlich die Bezahlung eines möglicherweise dienstunfähigen Lehrers und die Unterrichtung von Schülern durch diesen Lehrer zu vermeiden sowie die Sicherstellung einer ausreichenden Unter­richts­ver­sorgung, die Interessen des Lehrers an einer vorläufigen Weiter­be­schäf­tigung überwiegen. Damit ist der Lehrer vorläufig aus dem Beamten­ver­hältnis auf Probe entlassen.

Gericht traf keine straf- und diszi­pli­nar­rechtliche Entscheidung

Der 5. Senat hat in seinem Beschluss abschließend darauf hingewiesen, dass in diesem Verfahren nicht zu entscheiden war, wie das Verhalten des Lehrers in der Unter­richts­stunde straf- und diszi­pli­nar­rechtlich zu würdigen ist.

Quelle: ra-online, OVG Niedersachsen

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