14.11.2024
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Dokument-Nr. 31332

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Beschluss25.01.2022Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht14 MN 121/22
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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Beschluss25.01.2022

Niedersachsen: OVG Lüneburg kippt 2G-Regelung für Sport unter freiem HimmelVorläufige Außer­voll­zug­setzung der 2-G-Regelung für die Nutzung von Sportanlagen unter freiem Himmel - Umfassendes Verbot verfas­sungs­rechtlich nicht gerechtfertigt

Das Nieder­säch­sische Oberverwaltungs­gericht hat § 8 b Abs. 5 Satz 1 der Nieder­säch­sischen Verordnung über infektions­präventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (im Folgenden: Corona-VO) vom 23. November 2021 (Nds. GVBl. S. 770), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung vom 14. Januar 2022 (eilverkündet unter www.niedersachsen.de/verkuendung), vorläufig außer Vollzug gesetzt, soweit danach Personen, die nicht über einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV oder über einen Genese­nen­nachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfügen, die Nutzung von Sportanlagen unter freiem Himmel untersagt ist (sog. 2-G-Regelung für die Nutzung von Sportanlagen unter freiem Himmel).

Gegen diese Regelung hatte sich eine Antragstellerin, die in Niedersachsen lebt, hier Golfsport betreibt und nicht geimpft oder genesen ist, mit einem Normen­kon­trol­leil­antrag gewandt und geltend gemacht, die Infek­ti­o­ns­schutz­maßnahme sei nicht notwendig und auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar.

Richter geben Antrag statt - derzeitige 2G-Regelung verstößt gegen Verfas­sungsrecht

Dem ist der 14. Senat im Wesentlichen gefolgt. Die umfassende Untersagung der Nutzung von Sportanlagen unter freiem Himmel durch Personen, die nicht über einen Impfnachweis oder über einen Genese­nen­nachweis verfügen, in der konkreten Ausgestaltung nach § 8 b Abs. 5 Satz 1 Corona-VO erweise sich als unangemessen und daher als verfas­sungs­rechtlich nicht gerecht­fer­tigter Eingriff in die grundrechtlich geschützte allgemeine Handlungs­freiheit der betroffenen Personen. Fraglos bestehe unter Berück­sich­tigung der vorherrschenden Omikron-Variante von SARS-CoV-2, der ganz erheblichen Zahl von Neuinfektionen und der damit bereits einhergehenden und absehbar zu erwartenden Belastung des öffentlichen Gesund­heits­systems derzeit auch im Land Niedersachsen ein tatsächliches Infek­ti­o­ns­ge­schehen, das die Anordnung von Infek­ti­o­ns­schutz­maß­nahmen mit dem Ziel der Reduzierung infek­ti­o­ns­re­le­vanter Kontakte rechtfertige. Als angemessen könnten dabei grundsätzlich auch Beschränkungen des Zugangs zu Anlagen und Einrichtungen der Sportausübung auf Personen, die über einen Impfnachweis oder über einen Genese­nen­nachweis verfügten, angesehen werden. Der Antragsgegner weise insoweit auch zutreffend darauf hin, dass eine Norm wie die Nieder­säch­sische Corona-Verordnung es nicht leisten könne und auch nicht leisten müsse, auf jede noch so spezifische Konstellation einzugehen, vielmehr sei eine Pauschalierung notwendig und auch geboten. Mit der umfassenden Untersagung der Nutzung von Sportanlagen unter freiem Himmel durch Personen, die nicht über einen Impfnachweis oder über einen Genese­nen­nachweis verfügen, habe der Antragsgegner aber die Grenzen der rechtlich zulässigen Pauschalierung überschritten.

Bei der Sportausübung mit einer Vielzahl sich körperlich anstrengender Personen in geschlossenen Räumen bestehe regelmäßig ein signifikant erhöhtes Infek­ti­o­ns­risiko, das eine umfassende und einheitliche Zutritts­be­schränkung auf geimpfte und genesene Personen durchaus rechtfertige. Bei der Nutzung von Sportanlagen unter freiem Himmel sei ein derart signifikant erhöhtes Infek­ti­o­ns­risiko nicht in jedem Fall auszumachen. Ohne Zweifel bestehe es dort, wo Mannschaftssport in Sportarten betrieben wird, die die Einhaltung eines Abstandsgebots oder einer Maskenpflicht vernünf­ti­gerweise nicht erwarten lasse (bspw. Fußball, Basketball). Bei der Ausübung von Individualsport unter freiem Himmel (bspw. Leichtathletik, Tennis, Golf) sei ein erhöhtes Infek­ti­o­ns­risiko hingegen fernliegend. Soweit sich das Infek­ti­o­ns­risiko auf den Weg zur Sportanlage oder auf die Nutzung von Neben­ein­rich­tungen der Sportanlage in geschlossenen Räumen (bspw. Umkleiden, Duschen, Toiletten) beziehe, könne es durch ein Abstandsgebot und eine Pflicht zum Tragen einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2 o.ä. und ggf. die Schließung der Neben­ein­rich­tungen in geschlossenen Räumen auf ein zu vernach­läs­si­gendes Maß reduziert werden. Der Ausschluss des verbleibenden minimalen Restrisikos einer Infektion in diesen Fällen und der damit nur äußerst geringe Beitrag der Infek­ti­o­ns­schutz­maßnahme zur Erreichung der legitimen Ziele stehe für den Senat ersichtlich außer Verhältnis zu dem mit der Maßnahme verbundenen Grund­recht­s­eingriff. Für den Senat bestehe auch kein Anhaltspunkt dafür, dass eine differenzierte Behandlung jedenfalls der beiden Fallgruppen (Mannschaftssport - Individualsport) in der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung zu derart kleinteiligen Regelungen führe, dass die angeordneten Schutzmaßnahmen an Übersicht­lichkeit einbüßen würden und sie nur noch schwer praktisch handhabbar wären. Hiergegen spreche schon, dass frühere Fassungen der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung diese Differenzierung geleistet hätten.

Richter sehen Verstoß gegen den Gleichheitssatz

Daneben verstoße die umfassende Untersagung der Nutzung von Sportanlagen unter freiem Himmel durch Personen, die nicht über einen Impfnachweis oder über einen Genese­nen­nachweis verfügen, gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Ein sachlicher Grund dafür, dass auf Sportanlagen die Sportausübung durch nicht geimpfte oder genesene Personen vollständig untersagt werde, eine solche Sportausübung außerhalb von Sportanlagen im Rahmen der allgemeinen Kontakt­be­schrän­kungen des § 7 a Abs. 1 Corona-VO aber gestattet bleibe, sei nicht auszumachen. Vielmehr erscheine die Reglementierung und Überwachung von Kontakten auf einer Sportanlage eher besser gewährleistet als außerhalb von Sportanlagen.

Schwerwiegende öffentliche Interessen, die einer vorläufigen Außer­voll­zug­setzung der danach voraussichtlich rechtswidrigen Regelung entgegenstünden, seien nicht gegeben. Die Maßnahme sei kein wesentlicher Baustein in der Strategie der Pande­mie­be­kämpfung des Antragsgegners. Dieser sei auch nicht gehindert, neue, sich auf das Angemessene beschränkende Maßnahmen anzuordnen. Bis dahin gelte - neben den von der Außer­voll­zug­setzung nicht betroffenen Infek­ti­o­ns­schutz­maß­nahmen insbesondere in Satz 4 des § 8 b Abs. 5 Corona-VO - auf Sportanlagen unter freiem Himmel für Personen, die nicht über einen Impfnachweis oder über einen Genese­nen­nachweis verfügen, die allgemeine Kontakt­be­schränkung nach § 7 a Abs. 1 Corona-VO.

Die Außer­voll­zug­setzung der sog. 2-G-Regelung für die Nutzung von Sportanlagen unter freiem Himmel wirkt nicht nur zugunsten der Antragstellerin in diesem Verfahren. Sie ist vielmehr in ganz Niedersachsen allge­mein­ver­bindlich.

Quelle: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, ra-online (pm/pt)

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