15.11.2024
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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Urteil07.06.2012

Nachah­mungs­präparat: Antibiotikum zur Behandlung von Infek­ti­o­ns­krank­heiten in der Hähnchen- und Putenmast ist zuzulassenTiera­rz­nei­mit­tel­her­steller scheitert mit Konkur­ren­tenklage gegen Nachah­mungs­präparat

Das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht hat die Klage einer Herstellerin von Tiera­rz­nei­mitteln gegen die Zulassung eines Generikums – also eines Arzneimittels, das mit einem von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Origi­na­l­präparat wirkstoffgleich ist – abgewiesen. Grundsätzlich besteht eine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung von Arzneimitteln, die bereits in anderen EU-Mitglieds­s­taaten zugelassen sind. Nur bei potenziellen schwerwiegenden Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt darf die Anerkennung zurückgehalten werden. Zudem endet eine subjektive Rechtsposition eines Herstellers von Origi­na­l­prä­paraten in Bezug die Vorlage von Daten zu möglichen Umweltrisiken ("Ökotox-Daten") genau wie der sonstige arznei­mit­tel­rechtliche Unter­la­gen­schutz nach zehn Jahren.

Das Origi­na­l­präparat der Klägerin und das Generikum der Beigeladenen enthalten den Wirkstoff Enrofloxacin, bei dem es sich um ein Antibiotikum handelt, das u. a. für die Behandlung von Infek­ti­o­ns­krank­heiten in der Hähnchen- und Putenmast vorgesehen ist. Im zugrunde liegenden Streitfall richtet sich die Klage gegen die deutsche Zulassung des zuvor bereits im Vereinigten Königreich zugelassenen Generikums. Die Klägerin hat für das Origi­na­l­präparat seit 1990 eine Zulassung in Deutschland. Die Beigeladene besaß ab 1996 Zulassungen für ein wirkstoff­gleiches Präparat in Tschechien, Ungarn und Polen. Im Jahr 2005 erteilte die britische Arznei­mit­tel­zu­las­sungs­behörde einer Rechts­vor­gängerin der Beigeladenen ebenfalls eine Zulassung. Im Jahr 2006 beantragte die Beigeladene im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nach der Tiera­rz­nei­mit­tel­richtlinie 2001/82/EG eine Zulassung des Generikums auch in Deutschland. Sinn des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung ist eine erleichterte Zulassung eines bereits in einem EU-Mitgliedsstaat - dem "Referenz­mit­gliedsstaat" zugelassenen Tiera­rz­nei­mittels auch in anderen Mitgliedstaaten, was dem unions­recht­lichen Grundsatz der Waren­ver­kehrs­freiheit Rechnung tragen soll. Grundsätzlich besteht eine Verpflichtung zur Anerkennung; nur bei potenziellen schwerwiegenden Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt darf die Anerkennung zurückgehalten und ein länder­über­grei­fendes Koordi­nie­rungs­ver­fahren eingeleitet werden. Der Prüfung, ob solche Gefahren erkennbar sind, dient ein vom Referenz­mit­gliedstaat zu erstellender Beurtei­lungs­bericht.

Klägerin hält den vom Referenz­mit­gliedsstaat erstellten Beurtei­lungs­bericht für unzureichend

Den hier von der britischen Zulas­sungs­behörde übermittelten Beurtei­lungs­bericht hatte die Beklagte hinsichtlich der Beurteilung der Umwelt­aus­wir­kungen nicht für ausreichend erachtet, weil dort im wesentlichen nur darauf verwiesen wurde, dass in Deutschland das Origi­na­l­präparat schon lange Zeit Verwendung finde. Die britische Zulas­sungs­behörde ergänzte daraufhin den Beurtei­lungs­bericht mit einem Bericht, der anlässlich einer früheren Verlängerung der Zulassung für das Origi­na­l­präparat der Klägerin im Vereinigten Königreich erstellt worden war und der wiederum auf von der Klägerin dort vorgelegten Daten über mögliche Umweltrisiken ("Ökotox-Daten") basierte. Daraufhin wurde die von der Beigeladenen beantragte Zulassung des Generikums in Deutschland erteilt. Mit ihrer dagegen gerichteten Klage hat die Klägerin u. a. geltend gemacht, es sei zu Unrecht auf die von ihr im Vereinigten Königreich anlässlich der dortigen Verlängerung der Zulassung ihres Origi­na­l­prä­parats vorgelegten Ökotox-Daten zugegriffen worden. Die Beigeladene bzw. deren Rechts­vor­gängerin hätte vielmehr sowohl bei der Zulassung des Generikums im Vereinigten Königreich als auch im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung eigene Ökotox-Daten vorlegen müssen.

Subjektive Rechtsposition eines Herstellers von Origi­na­l­prä­paraten in Bezug auf Ökotox-Daten endet wie sonstiger arznei­mit­tel­recht­licher Unter­la­gen­schutz nach zehn Jahren

Das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht entschied, dass die Klägerin hinsichtlich der von ihr gerügten fehlerhaften Verwendung der Ökotox-Daten jedenfalls nicht in einer subjektiven Rechtsposition verletzt ist. Die subjektive Rechtsposition eines Herstellers von Origi­na­l­prä­paraten in Bezug auf diese Daten geht nach Auffassung des Senats nicht weiter als diejenige, die ihm hinsichtlich der übrigen Unterlagen zusteht, die anlässlich eines Zulas­sungs­ver­fahrens vorzulegen sind (z. B. die Ergebnisse von klinischen und vorklinischen Untersuchungen). Dieser arznei­mit­tel­rechtliche Unter­la­gen­schutz endet indessen nach exklusiver Vermarktung des Origi­na­l­prä­parats über einen Zeitraum von zehn Jahren, der hier bereits verstrichen war. Eine objektiv-rechtliche Verpflichtung des Herstellers des Generikums, im Zulas­sungs­ver­fahren und im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung aktuelle eigene Ökotox-Daten vorzulegen, vermittelt dem Hersteller des Origi­na­l­prä­parats nach Ablauf der zehnjährigen Schutzfrist deshalb auch unter Berück­sich­tigung einer effektiven Durchsetzung des Unionsrechts keine subjektive Rechtsposition mehr.

Quelle: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht/ra-online

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