23.11.2024
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Dokument-Nr. 33734

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Urteil13.01.2024Oberverwaltungsgericht Niedersachsen11 KN 353/21 und 11 KN 284/21
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Oberverwaltungsgericht Niedersachsen Urteil13.01.2024

Polizeiliche Verordnung zum Verbot der Bordell­pro­sti­tution in Braunschweig unwirksamVerbot der Prostitution nur in besonders schutzwürdigen Gebieten zulässig

Das Nieder­säch­sische Ober­verwaltungs­gericht hat in zwei Normen­kontroll­verfahren die Verordnung über das Verbot der Prostitution in Braunschweig der Polizei­di­rektion Braunschweig vom 15. August 2022 (Sperr­bezirks­verordnung) insoweit für unwirksam erklärt, als darin die Bordell­pro­sti­tution verboten wurde.

Die Sperr­be­zirks­ver­ordnung enthielt u.a. ein grundsätzliches Verbot der Bordell­pro­sti­tution für das gesamte Stadtgebiet. Die Bordell­pro­sti­tution blieb jedoch im historischen Rotlichtviertel der Stadt Braunschweig sowie in im Zeitpunkt des Inkrafttretens legalen Prosti­tu­ti­o­ns­be­trieben erlaubt. Zudem waren in der Sperr­be­zirks­ver­ordnung fünf - flächenmäßig allerdings nur einen kleinen Teil des Stadtgebiets betreffende - Toleranzzonen festgelegt, in denen die Bordell­pro­sti­tution weiterhin zulässig sein sollte. Die Polizei­di­rektion Braunschweig hatte die Toleranzzonen ermittelt, indem sie sich von der Stadt Braunschweig die festgesetzten und faktischen Industrie- und Gewerbegebiete mitteilen ließ und sodann anhand einer von ihr entwickelten „Checkliste“ darauf hin überprüfte, ob diese Gebiete im Hinblick auf den Schutz der Jugend sowie des öffentlichen Anstands als schutzbedürftig erschienen. Die Checkliste enthielt Merkmale wie „angrenzendes Wohngebiet“, „Schule inkl. 500 m Umkreis“ oder „soziale Einrichtungen“. Solche Industrie- und Gewerbegebiete, in denen nach wertender Einschätzung der Polizei­di­rektion ein oder mehrere Merkmale der „Checkliste“ erfüllt waren, wurden als potentielle Toleranzzone verworfen.

Prostitution-Verbot nur für Teile des Stadtgebiets zulässig

Das OVG hat dieses Vorgehen beanstandet. Nach Art. 297 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Einfüh­rungs­gesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) sei in einer Stadt wie Braunschweig mit mehr als 50.000 Einwohnern ein Verbot der Prostitution nur für Teile des Stadtgebiets zulässig. Der Normgeber dürfe die Prostitution nur in solchen Gebieten verbieten, die unter ordnungs­recht­lichen Gesichtspunkten durch eine besondere Schutz­be­dürf­tigkeit und Sensibilität gekennzeichnet seien, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen. Insofern sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Polizei­di­rektion etwa bei Kerngebieten eine Schutz­be­dürf­tigkeit pauschal unterstellt habe. Denn die darin baurechtlich zulässigen Nutzungen könnten unter ordnungs­recht­lichen Gesichtspunkten nicht pauschal als schutzbedürftig eingestuft werden. Ähnliches gelte für Mischgebiete, insbesondere nachdem das Nieder­säch­sischen OVG und das BVerwG jüngst bestimmte Bordelle im Wege einer Einzel­fa­ll­be­trachtung auch in Mischgebieten für baurechtlich zulässig gehalten hätten.

Gewerbegebiet als Sperrbezirk unzulässig

Hinsichtlich der pauschal unter Schutz gestellten Gebiete im sogenannten unbeplanten Innenbereich habe sich die Polizei­di­rektion ebenfalls nicht ohne weiteres auf die Einschätzung der Stadt Braunschweig zum Gebiets­cha­rakter dieser Gebiete verlassen dürfen. Ebenfalls nicht nachvollziehbar sei schließlich, dass die Polizei­di­rektion auf einen Zuschnitt der Gewerbegebiete verzichtet habe und deshalb stets das gesamte Gewerbegebiet als potentielle Toleranzzone verworfen und als Sperrgebiet ausgewiesen habe, wenn aufgrund der Prüfung anhand der „Checkliste“ schutzwürdige Merkmale festgestellt worden seien. Denn der Zuschnitt der Gewerbegebiete orientiere sich allein an den städtebaulichen Vorstellungen der Stadt Braunschweig und nicht daran, inwieweit ein im Hinblick auf die ordnungs­recht­lichen Schutzzwecke des Art. 297 EGStGB schutzwürdiges Gebiet vorliege. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die Kläger können Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zum BVerwG einlegen.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, ra-online (pm/ab)

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