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Dokument-Nr. 34862

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Landgericht Berlin I Beschluss05.03.2025

Landgericht München I untersagt Werbung für AbnehmspritzeFragebogen genügt für die Verschreibung des Medikaments nicht

Die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass einem Online-Apotheken-Anbieter die Bewerbung der sog. Abnehmspritze, darunter werden Produkte wie z.B. Ozempic, Wegovy verstanden, gegenüber Endverbrauchern in ihrer konkreten Form untersagt ist.

Eine Apothekenkammer wendete sich in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dagegen, dass eine in den Niederlanden ansässige Online-Apotheke gegenüber Verbrau­che­rinnen und Verbrauchern in Deutschland für Fernbe­hand­lungen mit dem Ziel der Verschreibung von Arzneimitteln zur Gewichts­re­duktion/Adipositas wirbt, wobei die Behandlung lediglich in der ärztlichen Überprüfung eines durch den Nutzer auf einer Plattform ausgefüllten Fragebogens besteht.

Online-Apotheke verlangte lediglich das Ausfüllen eines Fragebogens für die Verschreibung des Medikaments

Für die Verschreibung des Medikaments durch die beklagte Online-Apotheke ist hierbei nach der Werbung zur Bestellung lediglich das Ausfüllen eines Fragebogens erforderlich, welcher nach Vortrag der Antragsgegnerin sodann von einem (nicht in Deutschland ansässigen) Arzt vor der Verschreibung überprüft wird.

Die beklagte Apotheke hatte gegen ein Verbot eingewandt, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verspätet sei. Die Antrags­stellerin kenne das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin bereits aus einem anderen Verfahren, dessen Gegenstand Medikamente zur Behandlung erektiler Dysfunktion waren. Beworben und umschrieben werde außerdem lediglich eine „Gewichts­ver­lust­be­handlung“; dies lasse keinen zwingenden Schluss auf die Abnehmspritze zu. Dies sei zulässig und verstoße nicht gegen das Heilmit­tel­wer­be­gesetz. Das Ausfüllen eines Fragebogens, der sodann von einem Arzt überprüft werde, sei auch eine zulässige Fernbehandlung unter Verwendung von Kommu­ni­ka­ti­o­ns­medien, bei der ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich sei.

Fernbehandlung von Adipositas mittels Ausfüllens eines Fragebogens entspricht nicht den fachlichen Standards

„Die Fernbehandlung von Adipositas mittels Ausfüllens eines Fragebogens entspricht nämlich nicht allgemein anerkannten fachlichen Standards. Vielmehr ist vor der Verschreibung einer Abnehmspritze ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen erforderlich.“, so die Kammer in ihrer Urteils­be­gründung.

Zahlreiche Nebenwirkungen möglich

Dies ergebe sich letztendlich bereits aus den „Warnhinweisen“, welche die beklagte Apotheke dem Gericht selbst vorgelegt habe: In diesen werde auf zahlreiche Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Hypoglykämie (bei Patienten mit Typ-2-Diabetes) und Schwindel, auf das Risiko der Unterzuckerung und darauf hingewiesen, dass die Behandlung eingestellt werden sollte, wenn man innerhalb von drei Monaten nach Behand­lungs­beginn nicht mindestens 5 % seines Körpergewichts verliere.

Darüber hinaus werde in den von der Beklagten selbst vorgelegten Unterlagen ausgeführt, dass eine regelmäßige Nachsorge und Überwachung während einer Gewichts­re­duktion unbedingt erforderlich sei. Gerade diese, von der beklagten Apotheke selbst für erforderlich gehaltene regelmäßige Nachsorge erfordere aber zwingend einen persönlichen ärztlichen Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen, welcher weder von der beklagten Apotheke noch von den verschreibenden Ärzten - schon aufgrund der räumlichen Distanz- geleistet werden könne. Hinzu komme, dass ausweislich der Patien­ten­leitlinie zur Diagnose und Behandlung der Adipositas der deutschen Adipo­si­tas­ge­sell­schaft zahlreiche Untersuchungen, u. a. des Bluts und des Urins, nötig seien, um Adipositas zu diagnostizieren und zu behandeln. Dies könne daher gerade nicht im Wege der Fernbehandlung erfolgen.

Werbung für den Absatz von Medikamenten

Es handele sich bei der Werbung der Beklagten ferner nicht um die Werbung für eine Behandlung als solche, wie diese vorgetragen habe, sondern um die Werbung für den Absatz von Medikamenten. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Werbung. Um welche Gruppe von Präparaten es sich hierbei handele, wüssten die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehörten, bereits deshalb, weil „die Abnahmespritze“ in jüngster Zeit starke mediale Aufmerksamkeit erfahren habe.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Zum Hintergrund:

Nach der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Heilmit­tel­wer­be­gesetz (HWG) darf für verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben, geworben werden. Die angegriffene Internetwerbung wendet sich jedoch an die allgemeinen Verbrau­che­rinnen und Verbraucher und verstößt daher nach Auffassung der Kammer gegen § 10 Abs. 1 HWG.

§ 9 HWG verbietet die Werbung für Fernbe­hand­lungen. Zulässig ist sie nur ausnahmsweise nach § 9 Satz 2 HWG, wenn die Behandlung mittels Kommu­ni­ka­ti­o­ns­medien ( z.B. in Form einer Video­sprech­stunde ) erfolgt und nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mir dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.

Quelle: Landgericht München I, ra-online (pm/pt)

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