18.10.2024
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Dokument-Nr. 31573

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Landessozialgericht Hessen Urteil19.01.2022

Gesamt­angemessenheits­grenze für Unterkunfts- und Heizosten gilt im Sozia­l­hil­ferecht analogDie durch die SGB II-Reform entstandene Regelungslücke im SGB XII ist im Hinblick auf das verfas­sungs­rechtliche Gleich­be­hand­lungsgebot durch analoge Rechtsanwendung zu schließen

Für die Berechnung angemessener Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ist auch im Sozia­l­hil­ferecht die Bildung einer Gesamt­angemessenheits­grenze maßgeblich. Die entsprechende Regelung aus dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist analog anzuwenden. Dies entschied das Hessischen Landes­sozial­gerichts.

Ein 1951 geborener Mann lebt mit seiner Frau in einer 78 m² großen Wohnung (Kaltmietzins 322 €, Heizkosten 121 €) im Landkreis Kassel. Er bezog zunächst Arbeits­lo­sengeld II („Hartz IV“) und beantragte nach Erreichen der Altersgrenze schließlich Grund­si­che­rungs­leis­tungen im Alter (Sozialhilfe). Der Landkreis Kassel verwies darauf, dass für einen 2-Personen-Haushalt lediglich eine Wohnfläche von 60 m² und dementsprechend Heizkosten von maximal 69,25 € angemessen seien.

Kläger wendet sich gegen isolierte Betrachtung der Heizkosten

Der Mann führte dagegen an, dass das Jobcenter bislang höhere Leistungen gewährt habe. Bei der Prüfung der Angemessenheit seien auch im Sozia­l­hil­ferecht die Heizkosten nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr sei wie bei der Hartz-IV-Berechnung eine Gesamtangemessenheitsgrenze anzuwenden, welche sich auf die Gesamtkosten für Unterkunft und Heizung beziehe. Die Richter beider Instanzen haben entschieden, dass die Arbeits­lo­sengeld-II-Regelung zur angemessenen Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung in der Sozialhilfe analog anzuwenden ist.

LSG: Auch unangemessene Heizkosten müssen übernommen werden

Das LSG hat die vorinstanzliche Entscheidung bestätigt. Im vorliegenden Fall seien daher bei dem in einer Wohnung mit niedrigem Kaltmietzins wohnenden Kläger höhere Heizkosten zu berücksichtigen. Die Bedarfe für die Unterkunft würden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt. Überstiegen die Kosten den angemessenen Umfang, so seien sie anzuerkennen, solange eine Kostensenkung – wie z.B. einem Wohnungswechsel - nicht möglich oder nicht zumutbar sei.

Im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende gilt seit 2016 Gesamtan­ge­mes­sen­heits­grenze

Nach einer im Jahr 2016 eingeführten Regelung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) sei anhand einer Gesamtan­ge­mes­sen­heits­grenze zu beurteilen, ob die Kosten für Unterkunft und Heizung angemessen seien. Dies wirke sich zugunsten der Leistungs­emp­fänger insbesondere in den Fällen aus, in denen ein sehr niedriger Kaltmietzins mit unangemessen hohen Heizkosten oder aber ein unangemessen hoher Kaltmietzins mit sehr niedrigen Heizkosten zusammenträfen.

Regelung ist im Bereich der Sozialhilfe analog anzuwenden

Diese Regelung zur Bildung einer Gesamtan­ge­mes­sen­heits­grenze sei im Bereich der Sozialhilfe (SGB XII) analog anzuwenden, so die Richter. Arbeits­lo­sengeld II und Sozialhilfe dienten jeweils der Gewährung eines menschen­würdigen Existenz­mi­nimums. Zudem seien die Angemes­sen­heits­grenzen der Kosten für Unterkunft und Heizung weitgehend parallel geregelt. Die durch die SGB II-Reform im Jahr 2016 entstandene Regelungslücke im SGB XII sei im Hinblick auf das verfas­sungs­rechtliche Gleich­be­hand­lungsgebot durch analoge Rechtsanwendung zu schließen.

Quelle: Landessozialgericht Hessen, ra-online (pm/ab)

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