In dem zugrundeliegenden Fall musste eine dreiköpfige Familie für eine 68 qm große Wohnung in Göttingen monatlich 520 Euro Miete einschließlich Nebenkosten zahlen. Hiervon hat die Stadt Göttingen nur 470 Euro monatlich übernommen. Grundlage dieser Kürzung war ein vom Landkreis Göttingen in Auftrag gegebenes Gutachten. In dem Gutachten waren durch Befragung ermittelte Bestandsmieten zusammengerechnet worden, wobei die Grenze bei einem Quantil von 33 % angesetzt wurde. Der jeweilige Wohnungsstandard wurde nicht ermittelt.
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat den Grundsicherungsträger zur Nachzahlung der Differenz zu den tatsächlichen Mietkosten in Höhe von 50 Euro verurteilt. Mangels valider Mietdatensätze seien als Obergrenze die Tabellenwerte des Wohngeldgesetzes zuzüglich eines Aufschlages von 10 % zu berücksichtigen, die im vorliegenden Fall noch höher liegen (568,70 Euro).
Nach Auffassung des Landessozialgerichts kann das vorgelegte Gutachten über angemessene Unterkunftskosten nicht zur Ermittlung der vom Grundsicherungsträger zu gewährenden Kosten der Unterkunft herangezogen werden. Das Gutachten enthalte keine nachvollziehbare Definition des Untersuchungsgegenstandes, z. B. welche Art von Wohnungen je nach deren Ausstattung, Beschaffenheit und Lage berücksichtigt worden seien. Die Erfassung des gesamten Wohnungsmarktes setze voraus, dass u. a. nach Wohnungsstandards differenziert werden müsse. Nur darüber werde zuverlässig nachvollziehbar, ob auf einer repräsentativen Basis Wohnungen des einfachen, mittleren und gehobenen Standards einbezogen worden seien. Dies habe der Landkreis Göttingen nicht umgesetzt. Es sei nicht ausreichend, den einfachen Wohnungsstandard allein anhand des Quadratmeterpreises zu definieren, weil der Quadratmeterpreis je nach Wohnlage einen unterschiedlichen Standard der Wohnung abdecken könne.
Weiter führte das Gericht aus, dass die Kappungsgrenze von 33 % nicht nachvollziehbar sei. Eine plausible Begründung der so festgesetzten Mietobergrenze habe der Landkreis Göttingen nicht liefern können. Die zugrunde gelegte Annahme, dass mit einem 33 %-Quantil Wohnungen des einfachen Standards zutreffend abgebildet würden, setze zumindest voraus, dass tatsächlich der gesamte Wohnungsmarkt mit einer gleichmäßigen Durchmischung der Datensätze mit Wohnungen des einfachen, mittleren und gehobenen Standards erfasst worden wäre, was vorliegend jedoch nicht geschehen sei. Die Entscheidung über die Frage, bis zu welcher Mietobergrenze SGB II-Bezieher angemessene Wohnungen in Anspruch nehmen können, hänge nicht vom Preis ab, sondern von der Beschaffenheit der Wohnung, die auch oberhalb des Quantils von 33 % noch einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen könne, falls in der Stadt Göttingen derartige Unterkünfte in einem größeren Umfang vorhanden seien. Dies habe der Landkreis Göttingen aber nicht zuverlässig klären können.
Schließlich hat das Landessozialgericht dargelegt, dass die strukturellen Schwächen des vorgelegten Gutachtens keine Nachbesserung ermöglichen. Es fehle die vom Gericht für erforderlich gehaltene Datenbasis, diese könne für rückwirkende Zeiträume auch nicht mehr erhoben werden. Eine belastbare Mietobergrenze könne nur durch eine Neuerhebung auf der Grundlage eines völlig neuen Konzeptes erfolgen. Der Landkreis Göttingen sei verpflichtet, die tatsächlichen Mietkosten bis zu den Werten aus der Tabelle des Wohngeldgesetzes plus 10 % Sicherungszuschlag zu übernehmen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 03.07.2014
Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen/ra-online