21.11.2024
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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil04.11.2013

Mütterrente: Aktuelle Regelungen noch verfas­sungsgemäßGericht sieht dennoch weiteren Handlungsbedarf

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass derzeit die Berück­sich­tigung von Kinder­erziehungs­zeiten für vor 1992 geborene Kinder mit 12 Monaten und für nach 1992 geborene Kinder mit 3 Jahren nicht verfas­sungs­widrig ist. Der Gesetzgeber hat aber eine Pflicht zum weiteren Ausgleich der Benachteiligung der Familien.

Der Entscheidung lag der Fall einer 1951 geborenen und in Hannover lebenden Klägerin zugrunde. Die beklagte Renten­ver­si­cherung hatte bei der Klägerin im Vormer­kungs­ver­fahren jeweils 12 Monate Kinder­er­zie­hungs­zeiten für die in den Jahren 1971 und 1974 geborenen Kinder berücksichtigt. Die Klägerin begehrt aber die Berück­sich­tigung von drei Jahren Kinder­er­zie­hungs­zeiten je Kind. Sie leitet einen solchen Anspruch aus dem Grundgesetz, der Verfassung her.

Gesetzliche Regelung für Kinder­er­zie­hungs­zeiten

Nach dem Wortlaut der aktuellen Gesetzesfassung (§§ 56, 249 SGB VI) können für Kinder, die vor dem 1. Januar 1992 geboren sind, Kinder­er­zie­hungs­zeiten von 12 Kalendermonaten im Versi­che­rungs­verlauf berücksichtigt werden. Für Kinder die ab 1992 geboren wurden, können Kinder­er­zie­hungs­zeiten in den ersten drei Lebensjahren berücksichtigt werden.

Kinder­er­zie­hungs­zeiten wurden zutreffend ermittelt

Die Klage vor dem Sozialgericht Hannover war erfolglos. Auch das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass die Beklagte die Kinder­er­zie­hungs­zeiten in Anwendung der §§ 56, 249 SGB VI zutreffend ermittelt hat. Für eine weitergehende Berück­sich­tigung von Kinder­er­zie­hungs­zeiten fehlt es aktuell an der gesetzlichen Grundlage.

Als Genera­ti­o­nen­vertrag ausgestaltete Renten­ver­si­cherung lässt sich ohne nachrückende Generation nicht aufrecht­er­halten

Derzeit ist es auch nicht verfassungswidrig, wenn der Gesetzgeber den betroffenen Müttern von vor 1992 geborenen Kindern keinen Anspruch auf die Berück­sich­tigung einer mehr als zwölf monatigen Erziehungszeit einräumt. Allerdings dürfte dies den von der Klägerin im Laufe ihres Lebens erbrachten Gesamtbeitrag zur Renten­ver­si­cherung nur unzureichend widerspiegeln, urteilte das Landes­so­zi­al­gericht. Denn die Kindererziehung hat bestand­s­i­chernde Bedeutung für das System der Alters­ver­sorgung (so auch Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts – BVerfG - vom 7. Juli 1992). Die als Genera­ti­o­nen­vertrag ausgestaltete Renten­ver­si­cherung lässt sich ohne die nachrückende Generation nicht aufrecht­er­halten. Angesichts dessen hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht mit Beschluss vom 12. März 1996 den Gesetzgeber als verpflichtet angesehen, für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen. Dabei hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht dem Gesetzgeber einen weiten Gestal­tungs­rahmen zugebilligt. Im Ergebnis hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht in der langfristigen Perspektive aber eine Pflicht des Gesetzgebers zu einer weiteren Ausweitung der Anerkennung von Kinder­er­zie­hungs­zeiten über die mit dem Renten­re­form­gesetz 1992 (RRG 1992) eingeführte Regelung des § 56 Abs.1 S.1 SGB VI hinaus gesehen. Allerdings wurde dem Gesetzgeber vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht ein langjähriger Umset­zungs­zeitraum zugebilligt. Auch kann der Abbau der Benach­tei­li­gungen stufenweise vollzogen werden. Stich­tags­re­ge­lungen sind zulässig (BVerfG mit Urteil vom 7. Juli 1992).

Gesetzgeber kann keine pflichtwidrige Verzögerung bei der Umsetzung zur Neuregelung zur Berück­sich­tigung von Kinder­er­zie­hungs­zeiten vorgeworfen werden

Weiter hat das Landes­so­zi­al­gericht ausgeführt, dass seit Erlass des Urteils des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 7. Juli 1992 mehrere gesetz­ge­be­rische Reform­fort­s­chritte durchgeführt wurden. Dies sind z.B. eine bessere Bewertung der Berück­sich­ti­gungs­zeiten wegen Kindererziehung (§§ 71 Abs. 3 SGB VI) sowie eine Verbesserung der Bewertung der Kinder­er­zie­hungs­zeiten (§ 70 Abs. 2 SGB VI). Das heißt, dass dem Gesetzgeber bislang keine pflichtwidrige Verzögerung bei der Umsetzung der verfas­sungs­recht­lichen Minde­st­an­for­de­rungen an eine Berück­sich­tigung von Kinder­er­zie­hungs­zeiten vorgeworfen werden kann. Konkrete zeitliche Vorgaben hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht gerade nicht erteilt. Daher ist auch 20 Jahre nach Erlass des Urteils vom 7. Juli 1992 die dem Gesetzgeber zur Verfügung stehende Zeit noch nicht abgelaufen.

Sozial­ge­setzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Renten­ver­si­cherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337)

[...]

§ 56 Kinder­er­zie­hungs­zeiten (Fassung vom:15.07.2009)

(1) Kinder­er­zie­hungs­zeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn

1. die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,

2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und

3. der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

(2) [...]

[...]

§ 249 Beitragszeiten wegen Kindererziehung (Fassung vom:15.07.2009)

(1) Die Kinder­er­zie­hungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.

(2) [...]

[...]

Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen/ra-online

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