18.10.2024
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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil14.11.2013

Opfer hat trotz psychischer Schäden nach einer Erpressung keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Opfer­entschädigungs­gesetzEntschädigungs­anspruch besteht nur bei "tätlichem Angriff", nicht bei bloßer Drohung mit Gewalt

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass ein Erpres­sungsopfer nur dann einen Anspruch nach dem Opfer­entschädigungs­gesetz hat, wenn ein "tätlicher Angriff" vorliegt. Eine bloße Drohung mit Gewalt stellt einen solchen "tätlichen Angriff" nicht dar.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls, eine 45 jährigen Apothekerin aus dem Landkreis Goslar, war Opfer einer Erpressung geworden. Die Klägerin erhielt insgesamt 5 Erpres­ser­schreiben, welche nacheinander an der Terrassentür des Privathauses der Klägerin befestigt waren, in den Briefkasten der Apotheke eingeworfen wurden, hinter den Scheibenwischer des PKW der Klägerin geklemmt waren und in den Briefkasten eines Nachbarn eingeworfen wurden. Für den Fall der Nichtzahlung der geforderten 8.500 bzw. 9.000 Euro drohte der Täter sowohl die Tötung der Klägerin und deren Kinder als auch die Inbrandsetzung des Familienhauses an. Weiterhin drohte er Gift in Lebens­mit­tel­ge­schäften zu verteilen, sowie Attentate auf fahrende Autos zu verüben. Die Klägerin hatte zwar unter Mitwirkung der Polizei Geldpakete hinterlegt. Die Geldübergabe scheiterte aber, da der Täter die Pakete aus Angst vor Entdeckung nicht abholte. Die Erpressungen endeten nach einer polizeilichen Durchsuchung bei dem Täter.

Opfer macht aufgrund erlittener massiver psychischer Schäden Ansprüche nach dem Opferent­schä­di­gungs­gesetz geltend

Die Klägerin machte mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Braunschweig und dem Berufungs­ver­fahren vor dem Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen Ansprüche nach dem Opferent­schä­di­gungs­gesetz gegenüber dem Land Niedersachsen aufgrund der erlittenen massiven psychischen Schäden geltend. Bei ihr bestehe ein posttrau­ma­tisches Belas­tungs­syndrom, sie leide unter Angstzuständen und Schlafstörungen.

Voraussetzungen für Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem Opferent­schä­di­gungs­gesetz nicht erfüllt

Das Sozialgericht Braunschweig hat die Klage abgewiesen. Das Landes­so­zi­al­gericht wies die Berufung der Klägerin zurück. Das Gericht führte aus, dass das die Erpres­sungs­versuche keinen „tätlichen Angriff“ im Sinne des Opferent­schä­di­gungs­ge­setzes darstellen und die Klägerin daher keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem Opferent­schä­di­gungs­gesetz habe. Ein "tätlicher Angriff" liege nur bei einer gegen die körperliche Unversehrtheit einer anderen Person gerichteten Kraftentfaltung vor. Vorliegend stelle die Bedrohung der Klägerin mit Gewalt einen solchen Angriff noch nicht dar. Dies wäre auch dann nicht so einzustufen, wenn die Klägerin und der Täter sich gleichzeitig auf dem Grundstück der Klägerin befunden hätten. Die gleichzeitige Anwesenheit sei aber nicht einmal bewiesen. Das Gericht führte weiter aus, dass nicht relevant sei, ob die Drohungen des Täters ernst gemeint gewesen seien oder ob der Täter diese überhaupt hätte umsetzen können. Das Gericht stellte vielmehr darauf ab, dass z.B. auch das bloße Vorzeigen eines Messers aus einer Entfernung von 1,5 Metern nicht als tätlicher Angriff zu qualifizieren sei. Vorliegend sei das Risiko der Klägerin, einen körperlichen Schaden zu erleiden, nicht einmal so groß wie bei einem derart vorgezeigten Messer.

Nicht jedes gesell­schaftlich missbilligte Verhalten ist Grundlage eines Anspruches nach dem Opferent­schä­di­gungs­gesetz

Weiter führte das Gericht aus, dass ein "tätlicher Angriff" auch nicht deswegen bejaht werden könne, weil die Klägerin durch die Drohungen einen psychischen Schaden erleiden könne. Auch für die Annahme eines so genannten Schockschadens müsse zunächst ein "tätlicher Angriff" gegen den Geschädigten oder eine andere Person gegeben sein. Schließlich weist das Gericht darauf hin, dass auch das Bundes­so­zi­al­gericht entschieden habe, dass nicht jedes gesell­schaftlich missbilligte Verhalten Grundlage eines Anspruches nach dem Opferent­schä­di­gungs­gesetz sein müsse.

Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen/ra-online

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