21.11.2024
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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil14.11.2013

Kein Anspruch einer Patientin nach dem Opferent­schä­digungs­gesetz wegen sexuell motivierter Handlungen eines ArztesKörperliche Gewaltanwendung durch den Arzt nicht erkennbar

Ein aufgenötigter Sexualkontakt stellt nur dann einen tätlichen Angriff im Sinne des Opferent­schä­digungs­gesetzes (OEG) dar, wenn er erzwungen ist. Das gewaltlose Berühren der Genitalien durch einen Arzt kann dann einen tätlichen Angriff darstellen, wenn eine strafbare Körper­ver­letzung gegeben ist. Dies entschied das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen (LSG).

Dem lag der Fall einer 1962 geborenen im Landkreis Schaumburg lebenden Klägerin zugrunde. Ein sie behandelnder Arzt hatte an der Klägerin sexuell motivierte Handlungen vorgenommen. Der Arzt hatte die Klägerin für einen Tag im Juni 2000 um 19.00 Uhr einbestellt. Zu diesem Zeitpunkt war nur noch der Arzt in der Praxis. Bei der Klägerin sollte das rechte Bein oberhalb des Knies untersucht werden. Während der Untersuchung bat der Arzt die Klägerin sich auf den Bauch zu legen und den Slip auszuziehen. In der Folge nahm der Arzt sexuell motiviere Handlungen mit dem Ultraschallgerät vor. Die Klägerin war irritiert, dachte zunächst der Arzt müsse wissen was er tue und befürchtete dann, er könne ihr bei Protest vorwerfen, sie „würde spinnen“. Nach einer Weile hat die Klägerin die Manipulationen nicht mehr ertragen, ist aufgestanden, hat sich angezogen und ist gegangen. Später teilte die Klägerin mit, sich wund gefühlt zu haben. Dies sei am nächsten Tag weggegangen.

SG verurteilte Arzt zur Gewährung einer Beschä­dig­ten­ver­sorgung

Ende 2007 beantragte die Klägerin bei dem beklagten Land Beschä­dig­ten­ver­sorgung. Als Schädi­gungsfolge machte die Klägerin im Wesentlichen ein Psychosyndrom mit Depressionen geltend. Dies lehnte der Beklagte ab. Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Hannover (SG) hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass im Jahr 2002 Vorfälle bei über 20 weiteren Patientinnen bekannt geworden seien. Im Oktober 2003 sei im Rahmen eines Deals von dem Schädiger ein Schmerzensgeld an die Klägerin gezahlt worden, die Staats­an­walt­schaft habe das Verfahren gegen den Schädiger eingestellt. Das SG hat den Beklagten verurteilt eine Beschä­dig­ten­ver­sorgung zu gewähren.

LSG: körperliche Gewaltanwendung nicht erkennbar gewesen

Das LSG hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Ein „tätlicher Angriff“ im Sinne des Opferent­schä­di­gungs­ge­setzes (OEG) liege nicht vor. Die Klägerin habe daher keinen Anspruch nach diesem Gesetz. Ein „tätlicher Angriff“ könne bei Erwachsenen nach der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts vorliegen, wenn der Sexualkontakt dem Partner aufgenötigt werde, obwohl dieser ihn ablehne. Dafür sei ein Erzwingen erforderlich. Vorliegend sei eine körperliche Gewaltanwendung nicht zu erkennen gewesen. Für die Manipulationen im Vaginalbereich habe der Schädiger keinen Widerstand überwinden müssen. Die Klägerin sei zu diesem Zeitpunkt auch nicht ihrer Widerstandkraft beraubt gewesen. Ein gewaltloses Berühren im Geschlechts­bereich könne nach den Ausführungen des LSG dann relevant sein, wenn eine erhebliche Gefährdungslage für das Opfer bestanden habe. Dies habe hier nicht festgestellt werden können.

Strafbare Körper­ver­letzung nicht gegeben

Weiter hat das LSG ausgeführt, dass Grund­vor­aus­setzung für die Bewertung eines ärztlichen Eingriffs als „tätlichen Angriff“ sei, dass dieser als vorsätzliche Körper­ver­letzung strafbar sei - was unter anderem von einer wirksamen Einwilligung des Patienten abhänge. Allerdings sei vorliegend keine strafbare Körper­ver­letzung gegeben. Eine Wunde oder ein Wundsein habe nicht bewiesen werden können.

Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen/ra-online

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