21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.

Dokument-Nr. 31954

Drucken
ergänzende Informationen

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil29.06.2022

Schein­selbständigkeit eines Kurierfahrers - Transport­dienstleister muss für Sozia­l­ver­si­cherung zahlenKurierfahrer ohne Freiräume ist abhängig beschäftigt

Das Landes­so­zi­al­gericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass ein für ein Transport­unternehmen tätiger Kurierfahrer entgegen der Behauptung des Unternehmens sozialv­ersicherungs­rechtlich nicht selbständig tätig, sondern abhängig beschäftigt war. Das Transport­unternehmen hat mithin die Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflege­ver­si­cherung nachzuzahlen.

Der Kurierfahrer führte in den Jahren 2016 und 2017 Trans­por­t­aufträge durch, die das Unternehmen ihm über ein Funksystem vermittelte. Nach Abschluss eines Rahmenvertrags und unter Hinweis auf "organi­sa­to­rische Tipps" und "Arbeits­an­lei­tungen" in einem Handbuch hatte er bei den Kunden des Unternehmens Transportgüter abzuholen und auszuliefern, nachdem ihm entsprechende Aufträge von der Unter­neh­mens­zentrale über Funk vermittelt worden waren. Der Kurierfahrer hatte hierzu selbst ein entsprechendes Gewerbe angemeldet, führte die Fahrten mit einem eigenen Fahrzeug durch, hatte seinerseits aber weder eigene Mitarbeiter noch einen Betrieb. Ihm gegenüber erstellte das Unternehmen monatliche Abrechnungen auf der Grundlage der ermittelten Trans­port­ki­lometer und zog von der Vergütung eine Verwal­tungs­pau­schale ab.

Kurierfahrer war fremdbestimmt im Arbeitsalltag eingegliedert

Nach einer Würdigung der Gesamtumstände der Tätigkeit des Kurierfahrers ging das Landes­so­zi­al­gericht von einer abhängigen Beschäftigung aus. Weder aus dem geschlossenen Rahmenvertrag noch aus der Art und Weise, wie der Vertrag gelebt wurde, ergäben sich wesentliche Freiräume des Kurierfahrers. Habe er den jeweiligen Einzelauftrag angenommen bzw. habe das Trans­port­un­ter­nehmen diesen an ihn vergeben, sei er fortan fremdbestimmt in die Arbeits­or­ga­ni­sation des Unternehmens eingegliedert gewesen. Etwaige Freiräume - beispielsweise im Hinblick auf die Wahl der konkreten Route - fielen demgegenüber nicht erheblich ins Gewicht. Gleiches gelte auch für den Umstand, dass der Fahrer für seine Kurierdienste seinen eigenen Pkw nutzte.

Nichtgewährte soziale Absicherung unrelevant

Keine wesentliche Bedeutung komme schließlich dem Umstand zu, dass dem Kurierfahrer auf der Grundlage des geschlossenen Vertrages die für einen Arbeitnehmer typische soziale Absicherung nicht gewährt wurde. Dieser Umstand könne allenfalls ein Indiz darstellen, dessen Gewicht sich wegen eines Ungleich­ge­wichts in den Verhand­lungs­po­si­tionen beider Seiten allerdings erheblich abschwäche. Hier sei nicht erkennbar, dass beide Vertragspartner in gleicher Weise Einfluss auf die Ausgestaltung des sozia­l­ver­si­che­rungs­recht­lichen Status hätten nehmen können. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das unterlegene Trans­port­un­ter­nehmen kann bei dem Bundes­so­zi­al­gericht die Zulassung der Revision beantragen.

Quelle: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil31954

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI