21.11.2024
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Dokument-Nr. 33942

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Urteil24.04.2024Landessozialgericht Berlin-BrandenburgL 18 AS 684/22
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil24.04.2024

Jobcenter darf Geldgeschenk für Pilger-Reise auf Bürgergeld anrechnenLSG bejahrt Anrechenbarkeit

Das Landes­so­zi­al­gericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat sich in seiner Entscheidung mit der Frage befasst, ob ein Berliner Jobcenter berechtigt war, ein Geldgeschenk als Einkommen bzw. Vermögen auf das Bürgergeld anzurechnen. Das Geldgeschenk in Höhe von 65.250,- € hatten die drei Leistungs­emp­fänger von ihrer Nachbarin erhalten, um nach Mekka reisen zu können. Im konkreten Fall hat das LSG die Frage der Anrechenbarkeit bejaht.

Die Kläger – Vater, Mutter und ihr minderjähriger Sohn – leben in einer gemeinsamen Wohnung im Norden von Berlin. Sie bezogen vom Jobcenter unter anderem von Juni 2018 bis einschließlich Dezember 2019 Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts (Bezeichnung seit Januar 2023: Bürgergeld) nach dem Zweiten Buch des Sozial­ge­setzbuchs (SGB II). In eben diesem Zeitraum gewährte ihnen das Jobcenter Leistungen in Höhe von insgesamt rund 22.600,- €. Die Mutter kümmerte sich regelmäßig um die Nachbarin der Familie – die pflegebedürftig war. Die inzwischen verstorbene Nachbarin überwies Anfang Mai 2018 einen Betrag in Höhe von 65.250,- € auf das Konto der Mutter. Wie Frau R. später angab, handelte es sich hierbei um ein Geschenk, das dazu dienen sollte, den Klägern den lang gehegten Wunsch einer Reise nach Mekka zu ermöglichen. Die Kläger informierten das Jobcenter nicht über die Geldzuwendung; stattdessen wurde der Betrag noch im selben Monat vom Konto abgehoben. Nachdem das Jobcenter von der Schenkung Wind bekommen hatte, nahm es sämtliche Bewil­li­gungs­be­scheide für die Zeit nach der Schenkung zurück und verlangte rund 22.600 Euro. Das Jobcenter argumentierte, dass die Kläger im genannten Zeitraum nicht hilfebedürftig gewesen seien. Die hiergegen gerichtete Klage der Familie vor dem SG Berlin blieb ohne Erfolg. Gegen das Urteil des SG Berlin legten die Kläger Berufung zum LSG ein. Sie machten geltend, dass es sich um eine zweckgebundene Schenkung gehandelt habe, die sie von der Nachbarin. als Dank für die jahrelange liebevolle Pflege erhalten hätten. Das Geld hätten sie bestim­mungsgemäß verwendet. Die Reise nach Mekka, die sie zu fünft (die drei Kläger sowie zwei weitere Personen) angetretenen hätten, habe sie insgesamt rund 55.600,- € gekostet. Belege zu ihrer Reise könnten sie allerdings nicht vorlegen. Alles sei, wie es der Üblichkeit entspreche, in bar ohne Quittung bezahlt worden.

Geldgeschenk auf Bürgergeld anrechenbar

Das LSG hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen und damit die erstin­sta­nzliche Entscheidung des SG bestätigt. Es hat ausgeführt, dass die Rücknahme- und Erstat­tungs­be­scheide des Jobcenters rechtmäßig seien. Die Kläger seien im streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig gewesen. Die Kläger könnten sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es für sie grob unbillig wäre, wenn die von der Nachbarin gewährte freiwillige Zuwendung als Einkommen berücksichtigt werde. Bezieher von Bürgergeld seien grundsätzlich verpflichtet, im Rahmen der Selbsthilfe jegliche Einnahmen zur Sicherung ihres Lebens­un­terhalts zu verwenden.

Nur Teilbetrag von Anrechnung ausgenommen

Anders verhalte es sich zwar in Fällen, in denen – wie hier – eine Geldzuwendung mit einem objek­ti­vierbaren Zweck verknüpft sei, dessen Verwirklichung durch die Berück­sich­tigung bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts vereitelt würde. Indes seien auch solche Geldzuwendungen nicht in unbegrenzter Höhe privilegiert. Obergrenze für die Nicht­be­rück­sich­tigung derartiger Zuwendungen seien nach den Gesetz­ge­bungs­ma­te­rialien die geltenden Vermö­gens­frei­beträge, die im damaligen Zeitraum für die Kläger insgesamt 16.500,- € betragen hätten. Der Restbetrag in Höhe von 48.750,- € reiche zur Bedarfsdeckung aus. Schließlich sei nicht von einem zwischen­zeit­lichen Verbrauch der Mittel auszugehen.

Nachweise zum Verbrauch des Geldes fehlen

Klägern vorgetragene Behauptung, insgesamt rund 55.600,- € für die Reise nach Mekka ausgegeben zu haben, sei nicht belegt. Es widerspreche der Lebenserfahrung, eine Flugreise mit Kosten von mehr als 5.000,- € in bar zu bezahlen. Auch fehlten jegliche Angaben zum Zeitpunkt der Reise, die neben Flugtickets und Belegen über Hotel­über­nach­tungen zum Beispiel auch durch Ein- und Ausreisestempel im Reisepass belegbar wären. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Die unterlegenen Kläger können beim Bundes­so­zi­al­gericht die Zulassung der Revision beantragen.

Quelle: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, ra-online (pm/ab)

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