Dokument-Nr. 10618
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss17.09.2010
LSG Berlin-Brandenburg: AOK darf exklusive Verträge mit Apotheken zur Patientenversorgung mit Fertigarzneimitteln für Chemotherapie schließenAusschreibung für Arzneimittel Zytostatika zulässig
Die AOK Berlin-Brandenburg ist berechtigt exklusive Verträge mit Apotheken in Berlin zur Versorgung ihrer Patienten mit Zytostatika (Fertigarzneimittel zur Injektion bei der so genannten Chemotherapie) zu schließen. Dies entschied das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg.
Die AOK Berlin-Brandenburg hatte im Januar 2010 erstmalig in Deutschland die Beschaffung von Arzneimitteln zur Versorgung ihrer Patienten mit parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie (überwiegend Zytostatika in Lösungen zur Injektion für die so genannte Chemotherapie) exklusiv ausgeschrieben. Die Vertragsärzte ("Kassenärzte") in Berlin sollen nun - aufgeteilt in dreizehn Gebiete - die Medikamente ausschließlich bei einer Apotheke beziehen. Bislang tragen die Herstellerapotheken kein Risiko für Preisanstiege bei den Arzneimitteln und erhalten eine Vergütung für jede konkrete Herstellung nach Maßgabe der einzelnen Verordnung. Nun sollen die Ausschreibungsgewinner nur noch nach gelieferten Wirkstoffmengen bezahlt werden, unabhängig sowohl vom Arzneimittelpreis selbst als auch von den Einzelheiten der konkreten Verordnungen.
Apotheken und Apothekerverband verlangen Verbot der Ausschreibung
Gegen die Ausschreibung wandten sich insgesamt elf Herstellerapotheken in Vergabeverfahren an die Vergabekammer Brandenburg und anschließend mit der Beschwerde an das Landessozialgericht in Potsdam. Parallel hierzu versuchten eine Apotheke sowie der Deutschte Apothekerverband und der Berliner Apotheker-Verein in einem Eilverfahren, der AOK die Ausschreibung generell verbieten zu lassen.
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg wies zwei der Beschwerden zurück (L 1 SF 98/10 B Verg und L 1 SF 110/10 B Verg). In weiteren Beschlüssen gestattete das Gericht der Krankenkasse, die Zuschläge zu erteilen (L 1 SF 191/10 B Verg vom 14. Oktober 2010 und L 1 SF 109/10 B Verg vom 22. Oktober 2010). Zudem wiesen die Richter die Anträge auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zurück (L 1 SF 214/10 B Verg und L 1 SF 217/10 B Verg vom 22. Oktober 2010).
Apotheken haben keinen Anspruch auf Beibehaltung des bisherigen Vergütungssystems
Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, dass die Apotheken keinen Anspruch auf Beibehaltung des bisherigen Vergütungssystems hätten, welches ihnen eine Bezahlung ihrer Leistungen bei Zubereitungen unabhängig von der Preisentwicklung der Medikamente garantiere. Der Gesetzgeber habe den Krankenkassen vielmehr mit Einführung von § 129 Abs. 5 Satz 3 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) bewusst die Möglichkeit eingeräumt, das bisherige System auf Bundes- bzw. Landesebene vereinbarter fester Preise zu verlassen und auf diesem Gebiet die Preise dem freien Markt zu überlassen.
Ausschreibung leidet an keinem zur Aufhebung der Ausschreibung zwingenden vergaberechtlichen Fehler
Die AOK sei zwar bei ihrer Ausschreibung zu Unrecht davon ausgegangen, dass die hergestellten Medikamente ausschließlich vom Arzt direkt bei der Apotheke gekauft würden. Daneben sei vielmehr auch der normale Beschaffungsweg erlaubt, bei dem der krankenversicherte Patient die ärztliche Verordnung bei der von ihm gewünschten Apotheke einreiche. Vergaberechtlich leide die Ausschreibung aber trotzdem nicht an einem zur Aufhebung der Ausschreibung zwingenden Fehler, da prognostiziert werden könne, dass die verordnenden Ärzte den von der AOK gewünschten Beschaffungsweg einhielten und damit dem Ausschreibungsgewinner für ihr Gebiet eine faktische Exklusivität ermöglichten.
Das Geicht entschied zudem im Rahmen seiner Zuständigkeit für krankenversicherungsrechtliche Streitigkeiten, dass die antragstellenden Berufsverbände durch die Ausschreibung bereits nicht in eigenen Rechten verletzt sein könnten (L 1 KR 166/10 B ER).
Erläuterungen
Info: Bei den genannten Vergabeverfahren handelt es sich um einige der letzten bei den Landessozialgerichten überhaupt anhängigen. Diese sind erst seit 1. Januar 2009 durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) zur Entscheidung in Streitigkeiten über Entscheidungen von Vergabekammern ausschließlich zuständig geworden, soweit Ausschreibungen der Krankenkassen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung im Streit standen.
Nach dem vom Bundestag bereits verabschiedeten Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG) soll die Zuständigkeit auch in derartigen Vergabesachen ab Januar 2011 (wieder) ausschließlich bei den Oberlandesgerichten liegen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 25.11.2010
Quelle: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg/ra-online
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