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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil23.03.2018
Sturz eines Reha-Patienten beim Wirtshausbesuch kann nicht als Arbeitsunfall anerkannt werdenAbendlicher Besuch einer Gaststätte war nicht Teil einer Therapiemaßnahme
Ein abendlicher Gaststättenbesuch einer Gruppe von Rehabilitanden außerhalb der Reha-Einrichtung ist dem privaten (Freizeit-)Bereich zuzuordnen, da nicht die Förderung des Kurerfolgs, sondern private Geselligkeit, Entspannung und das Genusserleben durch Essen und Trinken im Vordergrund steht. Ein dabei erlittener Unfall (Sturz auf dem nächtlichen Heimweg) unterfällt nicht dem Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg in einem vor wenigen Tagen veröffentlichten Urteil entschieden.
Im zugrunde liegenden Streitfall klagte eine 53-jährige Frau, die wegen einer psychischen Erkrankung (Anpassungsstörung) im Herbst 2016 für drei Wochen zur Kur in Todtmoos war. An einem Samstagabend war sie mit einigen Mitrehabilitanden in einer Gaststätte außerhalb der Reha-Klinik. Auf dem Rückweg stolperte sie gegen 22.30 Uhr, fiel auf die linke Hand und brach sich den linken Ringfinger. Bei der beklagten Verwaltungs-Berufsgenossenschaft beantragte sie die Anerkennung als Arbeitsunfall. Sie machte geltend, der Ausflug sei Teil der Therapie gewesen und von den Ärzten der Klinik empfohlen worden.
Abendlicher Ausflug wurde nicht ärztlich verordnet
Die Berufsgenossenschaft fragte in der Klinik nach und erhielt die Auskunft, dass der abendliche Ausflug zur privaten Freizeitgestaltung der Rehabilitanden gehört habe und ärztlicherseits nicht verordnet worden sei. Die Patienten bekämen lediglich die allgemeine Empfehlung, Freizeitaktivitäten zusammen mit Mitpatienten ihrer Bezugsgruppe zu unternehmen. Die Gruppe sei auch nicht von medizinischem bzw. therapeutischem Fachpersonal der Klinik begleitet worden. Hierauf gestützt, lehnte die Unfallversicherung die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Widerspruch und Klage blieben erfolglos.
Unfallversicherungsschutz gilt nicht für jedwede Tätigkeit/Aktivität während der Kur
Auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg gab der Berufsgenossenschaft recht. Zwar stünden Personen, die auf Kosten eines Rehabilitations-Trägers Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies gelte aber nicht für jedwede Tätigkeit/Aktivität während der Kur, sondern nur, wenn ein spezifischer sachlicher Zusammenhang gerade zu den durchgeführten Reha-Maßnahmen bestehe. Risiken, die einem Versicherten in dessen Freizeit begegneten, seien, wie auch zu Hause, nicht vom Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst, so das Gericht.
Empfehlung der Klinik zur Teilnahme an eigeninitiierten Aktivitäten ersetzt keine ärztliche Anordnung
Maßgeblich für das Landessozialgericht war, dass der Ausflug nicht speziell der stationären Behandlung diente und auch nicht auf den Rehabilitationszweck ausgerichtet war. Die Klägerin durfte die allgemeine Empfehlung zu Freizeitaktivitäten auch nicht entsprechend verstehen und hat dies auch nicht getan. Vorrangige Ziele und Zwecke des Ausflugs waren Entspannung, Genusserleben durch Essen und Trinken und Geselligkeit in "heimeliger Atmosphäre" - wie die Klägerin selbst den Wirtshausbesuch beschrieben hatte. Der Spaziergang, die Einkehr in die Gaststätte und der anschließende Rückweg zur Reha-Klinik waren nicht ärztlich angeordnet oder therapeutisch überwacht und begleitet. Alleine die Empfehlung der Klinik, an solchen eigeninitiierten Aktivitäten teilzunehmen, ersetzt nicht die ärztliche Anordnung, Betreuung oder Überwachung. Irgendwelche Unterstützungsmaßnahmen seitens der Reha-Klinik wurden ebenfalls nicht unternommen, sondern das "ob", das "wann", das "wie" und das "wohin" dieser Aktivität war allein Sache der Eigeninitiative der Rehabilitanden.
Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Gesetzliche Unfallversicherung
§ 2 Absatz 1 Nr. 15 SGB VII
Kraft Gesetzes sind versichert
[...]
15. Personen, die
a) auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten, [...]
§ 8 Absatz 1 SGB VII:
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.04.2018
Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online
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