18.10.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil23.03.2018

Sturz eines Reha-Patienten beim Wirtshausbesuch kann nicht als Arbeitsunfall anerkannt werdenAbendlicher Besuch einer Gaststätte war nicht Teil einer Thera­pie­maßnahme

Ein abendlicher Gaststät­ten­besuch einer Gruppe von Rehabilitanden außerhalb der Reha-Einrichtung ist dem privaten (Freizeit-)Bereich zuzuordnen, da nicht die Förderung des Kurerfolgs, sondern private Geselligkeit, Entspannung und das Genusserleben durch Essen und Trinken im Vordergrund steht. Ein dabei erlittener Unfall (Sturz auf dem nächtlichen Heimweg) unterfällt nicht dem Schutzbereich der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung. Dies hat das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg in einem vor wenigen Tagen veröf­fent­lichten Urteil entschieden.

Im zugrunde liegenden Streitfall klagte eine 53-jährige Frau, die wegen einer psychischen Erkrankung (Anpas­sungs­störung) im Herbst 2016 für drei Wochen zur Kur in Todtmoos war. An einem Samstagabend war sie mit einigen Mitre­ha­bi­li­tanden in einer Gaststätte außerhalb der Reha-Klinik. Auf dem Rückweg stolperte sie gegen 22.30 Uhr, fiel auf die linke Hand und brach sich den linken Ringfinger. Bei der beklagten Verwaltungs-Berufs­ge­nos­sen­schaft beantragte sie die Anerkennung als Arbeitsunfall. Sie machte geltend, der Ausflug sei Teil der Therapie gewesen und von den Ärzten der Klinik empfohlen worden.

Abendlicher Ausflug wurde nicht ärztlich verordnet

Die Berufs­ge­nos­sen­schaft fragte in der Klinik nach und erhielt die Auskunft, dass der abendliche Ausflug zur privaten Freizeit­ge­staltung der Rehabilitanden gehört habe und ärztlicherseits nicht verordnet worden sei. Die Patienten bekämen lediglich die allgemeine Empfehlung, Freizeit­ak­ti­vitäten zusammen mit Mitpatienten ihrer Bezugsgruppe zu unternehmen. Die Gruppe sei auch nicht von medizinischem bzw. therapeutischem Fachpersonal der Klinik begleitet worden. Hierauf gestützt, lehnte die Unfallversicherung die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Widerspruch und Klage blieben erfolglos.

Unfall­ver­si­che­rungs­schutz gilt nicht für jedwede Tätigkeit/Aktivität während der Kur

Auch das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg gab der Berufs­ge­nos­sen­schaft recht. Zwar stünden Personen, die auf Kosten eines Rehabilitations-Trägers Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung. Dies gelte aber nicht für jedwede Tätigkeit/Aktivität während der Kur, sondern nur, wenn ein spezifischer sachlicher Zusammenhang gerade zu den durchgeführten Reha-Maßnahmen bestehe. Risiken, die einem Versicherten in dessen Freizeit begegneten, seien, wie auch zu Hause, nicht vom Versi­che­rungs­schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung erfasst, so das Gericht.

Empfehlung der Klinik zur Teilnahme an eigen­i­n­i­ti­ierten Aktivitäten ersetzt keine ärztliche Anordnung

Maßgeblich für das Landes­so­zi­al­gericht war, dass der Ausflug nicht speziell der stationären Behandlung diente und auch nicht auf den Rehabi­li­ta­ti­o­nszweck ausgerichtet war. Die Klägerin durfte die allgemeine Empfehlung zu Freizeit­ak­ti­vitäten auch nicht entsprechend verstehen und hat dies auch nicht getan. Vorrangige Ziele und Zwecke des Ausflugs waren Entspannung, Genusserleben durch Essen und Trinken und Geselligkeit in "heimeliger Atmosphäre" - wie die Klägerin selbst den Wirtshausbesuch beschrieben hatte. Der Spaziergang, die Einkehr in die Gaststätte und der anschließende Rückweg zur Reha-Klinik waren nicht ärztlich angeordnet oder therapeutisch überwacht und begleitet. Alleine die Empfehlung der Klinik, an solchen eigen­i­n­i­ti­ierten Aktivitäten teilzunehmen, ersetzt nicht die ärztliche Anordnung, Betreuung oder Überwachung. Irgendwelche Unter­stüt­zungs­maß­nahmen seitens der Reha-Klinik wurden ebenfalls nicht unternommen, sondern das "ob", das "wann", das "wie" und das "wohin" dieser Aktivität war allein Sache der Eigeninitiative der Rehabilitanden.

Sozial­ge­setzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Gesetzliche Unfall­ver­si­cherung

Erläuterungen

§ 2 Absatz 1 Nr. 15 SGB VII

Kraft Gesetzes sind versichert

[...]

15. Personen, die

a) auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung oder der landwirt­schaft­lichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten, [...]

§ 8 Absatz 1 SGB VII:

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versi­che­rungs­schutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesund­heits­schaden oder zum Tod führen.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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