21.11.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil16.05.2018

Tod durch Legionellen-Infektion: Duschen während auswärtiger Tätigkeit im Hotel stellt keine abstrakte Gefahr für Anerkennung einer Berufskrankheit darDuschen steht in keinem Zusammenhang mit versicherter Arbeit­s­tä­tigkeit und nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass eine tödliche Legionellen-Infektion nur dann als Berufskrankheit anerkannt werden kann, wenn feststeht, dass der versicherten beruflichen Tätigkeit eine abstrakte Gefährdung innegewohnt hat und sich diese generelle Gefahr auf Grund der im Gefahrenbereich ausgeübten Tätigkeit auch tatsächlich realisiert haben kann. Das morgendliche oder abendliche Duschen während einer auswärtigen Tätigkeit im Hotel vor Berufsbeginn oder nach Feierabend steht im Regelfall nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein 58-jähriger Versicherter wurde Ende August 2014 mit Fieber und grippeähnlichen Symptomen ins Krankenhaus eingeliefert, wo eine Infektion mit dem Bakterium Legionella pneumophila nachgewiesen wurde. Am 12. November 2014 verstarb der Versicherte. Der gelernte Elektro­techniker war zuvor langjährig als Monteur und Inbetriebnehmer u.a. für die Automo­bil­in­dustrie tätig gewesen, zuletzt im August 2014 bei Niederlassungen großer Automobilfirmen in Rastatt und Gent/Belgien. Bei den dort ebenfalls tätigen Kollegen ist bei keinem eine Legionellen-Infektion aufgetreten.

Legionellen weder an Arbeitsplätzen, noch in genutzten Hotels, noch im Privathaushalt nachweisbar

Die beklagte Berufs­ge­nos­sen­schaft Holz und Metall ermittelte sowohl an den letzten Arbeitsplätzen als auch an den Duschen im Privathaus des Versicherten. Dort konnten keine Legionellen nachgewiesen werden. Eines der beiden Hotels in Belgien, in denen der Versicherte übernachtet hatte, teilte mit, dass keine einschlägigen Vorkommnisse bekannt seien. Das andere Hotel war im Dezember 2014 endgültig geschlossen worden, weshalb nicht vor Ort ermittelt werden konnte und die Berufs­ge­nos­sen­schaft die belgischen Behörden um Mithilfe bat. Das European Centre for Disease Prevention and Control teilte unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des European Legionnaires Disease Surveillance Network mit, es sei im fraglichen Zeitraum nur ein Fall einer reiseas­so­zi­ierten Legio­nel­le­ner­krankung berichtet worden, nämlich der des Versicherten. Das wissen­schaftliche Institut für öffentliche Gesundheit des Königreichs Belgien erklärte, es habe in der betreffenden Zeit und Region keine Epidemien oder Gruppen von Fällen mit Legionellose gegeben. Die flämische Agentur zur Überwachung der öffentlichen Gesundheit mit der Zuständigkeit für die Kontrolle von Legio­nel­le­n­aus­brüchen in Flandern teilte mit, im Zeitraum vom 15. Juli 2014 bis 30. September 2014 sei kein Anstieg an Legio­nel­len­fällen in der Region um die beiden Hotels feststellbar gewesen und es seien auch keine Probleme mit Legionellen in den beiden Hotels bekannt.

Berufs­ge­nos­sen­schaft lehnt Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab

Ein von der Berufs­ge­nos­sen­schaft eingeschalteter Sachver­ständiger wies darauf hin, dass die Benutzung von Hotelduschen ein Infek­ti­o­ns­risiko darstellen könne, da im Fall der Nichtnutzung der Zimmer das Wasser längere Zeit in den Leitungen stehe. Dies genügte der Berufs­ge­nos­sen­schaft jedoch nicht als Nachweis der Erkran­kungs­ursache und sie lehnte die Anerkennung einer Berufskrankheit und Hinter­blie­be­nen­leis­tungen ab.

SG bejaht Anerkennung einer Berufskrankheit

Das Sozialgericht Karlsruhe hat dagegen der Witwe des Versicherten Recht gegeben und eine Berufskrankheit anerkannt. Ein konkreter Nachweis einer Gefährdung sei zwar nicht möglich, aber es habe eine abstrakte Gefahr durch das Benutzen der Hotelduschen bestanden, was vorliegend aufgrund der Schließung eines der beiden Hotels ausreichen müsse.

Gefahrenbereich für Legionellen-Infektion nicht bekannt

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg bewertete dies anders und lehnte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 3101 ("Infek­ti­o­ns­krank­heiten, wenn der Versicherte im Gesund­heits­dienst, in der Wohlfahrts­pflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infek­ti­o­ns­gefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war") ab. Die wegen der beruflichen Tätigkeit des Versicherten allein in Betracht kommende Variante „durch eine andere Tätigkeit der Infek­ti­o­ns­gefahr im ähnlichen Maße besonders ausgesetzt war“ verlangt die Feststellung im Vollbeweis, dass dem versicherten Tätig­keits­bereich eine abstrakte Gefährdung innegewohnt hat und sich diese generelle Gefahr auf Grund der im Gefahrenbereich individuell vorgenommenen Verrichtungen auch tatsächlich realisiert haben kann. An diesen Nachweisen fehlt es. Es kann nicht mehr aufgeklärt werden, aus welchem Gefahrenbereich die Legionellen-Infektion kam. Für die Tätigkeit im Bereich des Kundenservice sowie bei der Inbetriebnahme von Reinigungs-, Vorbehandlungs- und Lackieranlagen für die Automo­bil­in­dustrie liegen keine Anhaltspunkte für eine abstrakte Infek­ti­o­ns­gefahr vor. In Rastatt kam es zu keiner Zeit zu einer Exposition gegenüber wässrigen Dämpfen. In Gent hat der Sachverständige eine Gefährdungslage bei der beruflichen Tätigkeit verneint. Soweit das Sozialgericht auf das Duschen im Hotel abgestellt hat, steht dies schon nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung, da kein Zusammenhang mit der an sich versicherten Arbeit­s­tä­tigkeit bestanden hat. Die Körperreinigung des Versicherten hat vorliegend nicht wesentlich betrieblichen Interessen des Arbeitgebers gedient, sondern war dem privaten Bereich des Versicherten zuzuordnen. Außerdem hat der Sachverständige dargelegt, dass eine Legionellen-Infektion in den beiden Hotels in Gent nicht nachzuweisen ist.

Sozial­ge­setzbuch (SGB) VII - Gesetzliche Unfall­ver­si­cherung

§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VII

Erläuterungen

Berufs­krank­heiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechts­ver­ordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufs­krank­heiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versi­che­rungs­schutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechts­ver­ordnung solche Krankheiten als Berufs­krank­heiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufs­krank­heiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefähr­dungs­be­reichen verursacht worden sind [...]

Der Verord­nungsgeber hat die BK 3101 wie folgt bezeichnet: "Infek­ti­o­ns­krank­heiten, wenn der Versicherte im Gesund­heits­dienst, in der Wohlfahrts­pflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infek­ti­o­ns­gefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war."

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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