21.11.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.

Dokument-Nr. 22613

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil11.05.2016

Verletzung bei "Einstieg" in die eigene Wohnung ist kein ArbeitsunfallBei Einstieg in Wohnung standen nicht betriebliche Erfordernisse sondern private Interessen im Vordergrund

Ein Arbeitnehmer, der infolge des Verlustes seines Schlüsselbundes vor verschlossener Haustür steht, einen Schlüsseldienst herbeiruft und gleichwohl versucht, über ein Fenster einzusteigen, um eine Beschädigung der Haustür durch den Schlüsseldienst zu vermeiden und dabei abstürzt, erleidet keinen Arbeitsunfall.

Die 43-jährige Versicherte des zugrunde liegenden Verfahrens war in einer Gaststätte beschäftigt. Sie bemerkte im Laufe des Vormittags, als sie mit ihrem Pkw Lebensmittel einkaufen sollte, dass ihr Schlüsselbund fehlte und wollte zuhause den Ersatzschlüssel holen. Sie verständigte einen Schlüsseldienst und ließ sich von ihrem Arbeitgeber nach Hause fahren. Als der Schlüsseldienst ihr eröffnete, dass die Türe aufgefräst werden müsse, lehnte sie dies ab und versuchte, durch ein angelehntes Fenster in ihre Wohnung einzusteigen. Dabei stürzte sie ab und erlitt einen Lenden­wir­belbruch. Wegen der Spätfolgen wurde ihr von der Deutschen Renten­ver­si­cherung eine Rente wegen Erwer­bs­min­derung zuerkannt. Ihren Antrag auf Entschä­di­gungs­leis­tungen wegen eines Arbeitsunfalles lehnte die zuständige Berufsgenossenschaft hingegen ab. Der Unfall habe nichts mit der beruflichen Tätigkeit zu tun.

Verwirklichung eines den privaten Umständen zurechenbaren Risikos

Die Richter des Sozialgerichts Karlsruhe wiesen die Klage der Frau ab. Auch die Richter des Landes­so­zi­al­ge­richts gaben der Berufs­ge­nos­sen­schaft Recht und wiesen die Berufung der Versicherten zurück. Zwar war ein betrieblicher Zusammenhang dadurch gegeben, dass der Arbeitgeber das Holen des Ersatz­sch­lüs­sel­bundes verlangte, um betrieblich veranlasste Lebens­mit­te­l­einkäufe für die Gaststätte mit dem Auto der Klägerin zu tätigen. Jedoch lässt die Art und Weise der geplanten Zurücklegung des Weges in die Wohnung, nämlich das Einsteigen durch das Schlaf­zim­mer­fenster, eine privat-wirtschaftliche Handlungs­tendenz von überragender Bedeutung erkennen. Es standen nicht betriebliche Erfordernisse, sondern das Vermeiden von Beschädigungen der Wohnungstür infolge Auffräsens durch den Schlüsseldienst im Vordergrund. Damit hat sich kein betriebliches, sondern ein den privaten Umständen zurechenbares Risiko verwirklicht.

Hintergrund:

Nicht nur am Arbeitsplatz selbst, sondern auch auf dem direkten Weg dorthin und zurück nach Hause genießen Beschäftigte den Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung. Jedoch setzt ein sog. Wegeunfall stets einen sachlichen Zusammenhang des unfall­brin­genden Weges mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit voraus. Wege, die aus sog. eigen­wirt­schaft­lichen Motiven zurückgelegt werden, fallen nicht hierunter. Der berufliche Zusammenhang besteht nach der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts, wenn der Weg wesentlich zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung zu erreichen. Die darauf gerichtete Handlungs­tendenz des Versicherten muss durch die objektiven Umstände bestätigt werden.

Sozial­ge­setzbuch (SGB) VII (Gesetzliche Unfall­ver­si­cherung)

§ 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 und Abs. 2 Nr. 1 SGB VII:

Erläuterungen

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versi­che­rungs­schutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesund­heits­schaden oder zum Tod führen.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusam­men­hän­genden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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