Dokument-Nr. 11254
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil16.02.2011
LSG Baden-Württemberg: Trotz Aufhebungsvertrag besteht Anspruch auf Arbeitslosengeld ohne SperreSehenden Auges herbeigeführte Arbeitslosigkeit muss aus wichtigem Grund erfolgen
Auch einem nach 40 Jahren Betriebszugehörigkeit nicht mehr ordentlich kündbaren Angestellten steht auch dann für drei weitere Monate Arbeitslosengeld ohne Eintritt einer Sperrzeit zu, wenn sie mit dem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung abgeschlossen hat. Dies entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg.
Im zugrunde liegenden Streitfall hatte die Klägerin nach beinahe 40-jähriger Betriebszugehörigkeit im Mai 2004 mit ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag zum 30. November 2005 unter Zahlung einer Abfindung in Höhe von 47.000 Euro abgeschlossen, weil im Wege betrieblicher Umstrukturierungsmaßnahmen ihr Arbeitsplatz wegfallen sollte.
Arbeitsagentur hält Arbeitslosigkeit für grob fahrlässig herbeiführt und verhängt Sperrzeit
Die beklagte Arbeitsagentur hatte deshalb den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen festgestellt, denn der nicht mehr kündbaren Klägerin wäre es zumutbar gewesen, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen und eine eventuelle Kündigung des Arbeitgebers abzuwarten. Die Arbeitsagentur berief sich auf die Vorschrift, dass für die Dauer von 12 Wochen dann kein Arbeitslosengeld gewährt wird, wenn der Versicherte sein Beschäftigungsverhältnis löst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeiführt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben (so genannte Sperrzeit).
Modalitäten des Aufhebungsvertrags erfüllen Voraussetzungen von § 1 a Kündigungsschutzgesetzes
Die Richter des Landessozialgerichts Baden-Württemberg bestätigten indes mit Ihrer Entscheidung das Sozialgericht Karlsruhe, das eine Sperrzeit nicht als berechtigt angesehen hat, und führten zur Begründung aus, dass die Klägerin zwar mit Abschluss des Aufhebungsvertrags sehenden Auges ihre Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe. Dieses Verhalten sei jedoch nicht vorwerfbar, da sie dafür einen wichtigen Grund gehabt habe. Die Kündigung bzw. die Modalitäten des Aufhebungsvertrags hätten die Kriterien des § 1 a Kündigungsschutzgesetz beachtet. Insbesondere sei die dort vorgesehene Abfindungshöhe von ,5 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr nicht überschritten worden. Ob die Kündigung arbeitsrechtlich rechtmäßiger Weise hätte erfolgen dürfen, sei daher in Übereinstimmung mit der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr zu überprüfen. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin und ihr ehemaliger Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag so gefasst hätten, um zu Lasten der Versichertengemeinschaft eine Leistungsberechtigung der Klägerin zu manipulieren, seien nicht ersichtlich.
§ 144 SGB III - Ruhen bei Sperrzeit
Erläuterungen
(1) Hat der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn1. der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe) [...]
§ 1 a KSchG - Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung
(1) Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung. Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.
(2) Die Höhe der Abfindung beträgt ,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. § 10 Abs. 3 gilt entsprechend. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden [...]
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.03.2011
Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online
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