21.11.2024
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Dokument-Nr. 11254

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil16.02.2011

LSG Baden-Württemberg: Trotz Aufhe­bungs­vertrag besteht Anspruch auf Arbeits­lo­sengeld ohne SperreSehenden Auges herbeigeführte Arbeits­lo­sigkeit muss aus wichtigem Grund erfolgen

Auch einem nach 40 Jahren Betrie­bs­zu­ge­hö­rigkeit nicht mehr ordentlich kündbaren Angestellten steht auch dann für drei weitere Monate Arbeits­lo­sengeld ohne Eintritt einer Sperrzeit zu, wenn sie mit dem Arbeitgeber einen Aufhe­bungs­vertrag mit Abfindung abgeschlossen hat. Dies entschied das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg.

Im zugrunde liegenden Streitfall hatte die Klägerin nach beinahe 40-jähriger Betrie­bs­zu­ge­hö­rigkeit im Mai 2004 mit ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag zum 30. November 2005 unter Zahlung einer Abfindung in Höhe von 47.000 Euro abgeschlossen, weil im Wege betrieblicher Umstruk­tu­rie­rungs­maß­nahmen ihr Arbeitsplatz wegfallen sollte.

Arbeitsagentur hält Arbeits­lo­sigkeit für grob fahrlässig herbeiführt und verhängt Sperrzeit

Die beklagte Arbeitsagentur hatte deshalb den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen festgestellt, denn der nicht mehr kündbaren Klägerin wäre es zumutbar gewesen, das Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis fortzusetzen und eine eventuelle Kündigung des Arbeitgebers abzuwarten. Die Arbeitsagentur berief sich auf die Vorschrift, dass für die Dauer von 12 Wochen dann kein Arbeitslosengeld gewährt wird, wenn der Versicherte sein Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis löst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeits­lo­sigkeit herbeiführt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben (so genannte Sperrzeit).

Modalitäten des Aufhe­bungs­vertrags erfüllen Voraussetzungen von § 1 a Kündi­gungs­schutz­ge­setzes

Die Richter des Landes­so­zi­al­ge­richts Baden-Württemberg bestätigten indes mit Ihrer Entscheidung das Sozialgericht Karlsruhe, das eine Sperrzeit nicht als berechtigt angesehen hat, und führten zur Begründung aus, dass die Klägerin zwar mit Abschluss des Aufhe­bungs­vertrags sehenden Auges ihre Arbeits­lo­sigkeit herbeigeführt habe. Dieses Verhalten sei jedoch nicht vorwerfbar, da sie dafür einen wichtigen Grund gehabt habe. Die Kündigung bzw. die Modalitäten des Aufhe­bungs­vertrags hätten die Kriterien des § 1 a Kündi­gungs­schutz­gesetz beachtet. Insbesondere sei die dort vorgesehene Abfindungshöhe von ,5 Monatsgehältern pro Beschäf­ti­gungsjahr nicht überschritten worden. Ob die Kündigung arbeits­rechtlich rechtmäßiger Weise hätte erfolgen dürfen, sei daher in Übereinstimmung mit der arbeits­ge­richt­lichen Rechtsprechung nicht mehr zu überprüfen. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin und ihr ehemaliger Arbeitgeber den Aufhe­bungs­vertrag so gefasst hätten, um zu Lasten der Versi­cher­ten­ge­mein­schaft eine Leistungs­be­rech­tigung der Klägerin zu manipulieren, seien nicht ersichtlich.

§ 144 SGB III - Ruhen bei Sperrzeit

(1) Hat der Arbeitnehmer sich versi­che­rungs­widrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versi­che­rungs­widriges Verhalten liegt vor, wenn

1. der Arbeitslose das Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis gelöst oder durch ein arbeits­ver­trags­widriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeits­lo­sigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe) [...]

§ 1 a KSchG - Abfin­dungs­an­spruch bei betrie­bs­be­dingter Kündigung

(1) Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeits­ver­hältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung. Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündi­gungs­er­klärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstrei­chen­lassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.

(2) Die Höhe der Abfindung beträgt ,5 Monats­ver­dienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeits­ver­hält­nisses. § 10 Abs. 3 gilt entsprechend. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeits­ver­hält­nisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden [...]

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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