23.11.2024
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Sie sehen vier Hände, die ineinander greifen.

Dokument-Nr. 32959

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Beschluss01.03.2023Landessozialgericht Baden-WürttembergL 2 SO 204/23 ER-B
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss01.03.2023

Gehörlose Schülerin hat Anspruch auf Gebär­den­dol­metscher auch in einer Schule für Menschen mit HörbehinderungBei unzureichender Leistungs­er­bringung durch Schule ist Sozia­l­hil­fe­träger zur Erbringung erforderlicher Leistungen verpflichtet

Das Landes­so­zi­al­gericht hat in einem Eilverfahren entschieden, dass der Landkreis Reutlingen einer gehörlosen Schülerin einen Gebär­den­dol­metscher zur Seite stellen muss.

Die antragstellende Schülerin besucht ein Sonder­päd­ago­gisches Bildungs- und Beratungs­zentrum mit Förder­schwerpunkt Hören. Sie kommuniziert in der Deutschen Gebärdensprache (DGS). Allerdings sind nicht alle Lehrkräfte in ihrer Schule gleichermaßen gebär­den­kom­petent, sodass sie oft nicht verstanden wird. Hinzu kommt, dass die Lehrkräfte ihre eigenen lautsprach­lichen Äußerungen und ggfs. auch lautsprachliche Äußerungen der Mitschüler in DGS übersetzen müssen, damit die Antragstellerin sie versteht. Eine solche Doppelrolle als Gesprächsführer und Dolmetscher verzögert den Unter­richts­verlauf, sodass lautsprachliche Äußerungen für die Antragstellerin nur zusammengefasst wiedergegeben werden. Dies erschwert ihre Teilnahme am Unterricht.

Landkreis muss vorläufig Assistenz durch einen Gebär­den­dol­metscher gewähren

Das Landes­so­zi­al­gericht (LSG) Baden-Württemberg hat in einem Eilverfahren den Landkreis Reutlingen verpflichtet, einer gehörlosen 13-jährigen Schülerin vorläufig 16 Stunden Assistenz durch einen Gebärdendolmetscher wöchentlich (zu einem voraus­sicht­lichen Stundensatz von € 85,00) zu gewähren. Das LSG hat seine Entscheidung damit begründet, auf jeden Fall sei die Übertragung lautsprach­licher Äußerungen, insbesondere anderer Schüler, durch einen Gebär­den­dol­metscher eine Aufgabe der Eingliederungshilfe. Das Dolmetschen gehöre nicht zum pädagogischen Kernbereich, der Wissens­ver­mittlung, sondern sichere die eigentliche Arbeit der Lehrkraft nur ab. Dass die Antragstellerin durch das Dolmetschen auch ihre Kenntnisse in der DGS verbessere, sei nur ein Nebeneffekt. Es könne letztlich auch nicht verlangt werden, dass andere Schüler für die Antragstellerin dolmetschten.

Einglie­de­rungshilfe auch für Vermittlung des Gebär­den­dol­met­schers zuständig

Ferner weist das LSG darauf hin, dass die Vermittlung der DGS an gehörlose Schüler zwar eine Leistung der Schule sei, die aber zurzeit nicht ausreichend erbracht werde. Daher sei auch für diese Aufgabe, allerdings nur nachrangig, die Einglie­de­rungshilfe zuständig. Insoweit, so das LSG am Rande, ständen dem Landkreis wegen der Kosten des Gebär­den­dol­met­schers möglicherweise Regress­ansprüche zu. Eine endgültige Entscheidung, ob der Landkreis Reutlingen als Träger der Einglie­de­rungshilfe die Kosten des Gebär­den­dol­met­schers tragen muss, wird erst in einem Haupt­sa­che­ver­fahren (Klageverfahren) vor dem Sozialgericht Reutlingen ergehen.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg, ra-online (pm/ab)

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