21.11.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil21.11.2012

Keine Entschädigung für die Dauer des Gerichts­ver­fahrens nach zu Unrecht bezogener Arbeits­lo­senhilfeAllgemein gültige Zeitvorgabe für (sozial­ge­richt­liches) Verfahren nicht existent

Ein Arbeitsloser, der dem Arbeitsamt (inzwischen: Arbeitsagentur) ein verstecktes Vermögen von ca. 187.000 DM verschweigt, erhält keine Entschädigung für die Dauer der Gerichts­ver­fahren wegen der Erstattung der Arbeits­lo­senhilfe. Dies entschied das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg.

In dem zugrunde liegenden Streitfall hatte der Kläger nach seiner Behauptung, er sei bedürftig, vom Arbeitsamt Arbeitslosenhilfe erhalten. 1998 stellte die Steuerfahndung das Guthaben des Klägers bei einer Bank in Luxemburg fest, woraufhin das Arbeitsamt rückwirkend die Erstattung von Arbeits­lo­senhilfe ab Juli 1994 verlangte. Mit seiner gegen die Erstat­tungs­for­derung gerichteten Klage unterlag der Kläger in allen Gerichts­in­stanzen. Seine Verfas­sungs­be­schwerde nahm das Bundes­ver­fas­sungs­gericht nicht zur Entscheidung an.

Kläger verlangt Schadensersatz wegen überlanger Verfahrensdauer

Der Kläger verlangte vom Arbeitsamt die erneute Überprüfung der Erstat­tungs­be­scheide. Die deswegen 2008 erhobenen Klagen wurden noch im Dezember 2008 abgewiesen, die Berufungen im Dezember 2010 zurückgewiesen. Anschließend hat der Kläger das Land Baden-Württemberg im Januar 2012 wegen überlanger Verfahrensdauer auf Schadenersatz nach § 198 Gerichts­ver­fas­sungs­gesetz verklagt. Durch die Dauer der Verfahren seien ihm schwere Nachteile zugefügt worden.

Umfangreiche und schwer verständliche Schriftsätze des Klägers verursachten erheblichen Arbeitsaufwand

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg entschied, dass die 2008 vor dem Sozialgericht angestrengten Klageverfahren mit je rund sieben Monaten Dauer keineswegs unangemessen lang gedauert hätten. Bei der Dauer des Berufungs­ver­fahrens von ca. 21 Monaten sei zu berücksichtigen, dass der Kläger durch umfangreiche und schwer verständliche Schriftsätze das Verfahren aufgebläht und allein dadurch einen erheblichen Arbeitsaufwand verursacht habe. Er habe indes lediglich dieselben Argumente vorgetragen, die bereits in den früheren Verfahren – bis hinauf zum Bundes­so­zi­al­gericht und Bundes­ver­fas­sungs­gericht – vorgebracht und dort bereits als unbeachtlich beurteilt worden seien. Die Gesamt­ver­fah­rensdauer habe für den Kläger tatsächlich den Vorteil gehabt, dass für die Dauer der Verfahren die Erstattung der zu Unrecht bezogenen Arbeits­lo­senhilfe aufgeschoben worden sei. Im Übrigen existiere keine allgemein gültige Zeitvorgabe, wie lange ein (sozial­ge­richt­liches) Verfahren höchstens dauern dürfe. Hierfür komme es auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens, sowie das Verhalten der Verfah­rens­be­tei­ligten und Dritter, an.

Hinweis

Eine Klage wegen unangemessener Verfahrensdauer gibt es im deutschen Recht erst seit dem 03.12.2011. Die vorliegende Entscheidung ist die erste Entscheidung in der Sozial­ge­richts­barkeit Baden-Württemberg zu dieser neuen Regelung. Die maßgebliche Rechts­vor­schrift lautet wie folgt:

§ 198 Gerichts­ver­fas­sungs­gesetz

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichts­ver­fahrens als Verfah­rens­be­tei­ligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfah­rens­be­tei­ligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermö­gens­nachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichts­ver­fahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wieder­gut­machung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(...)

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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