21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 33549

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Landgericht Rottweil Urteil06.12.2023

Impfscha­den­ver­fahren: Landgericht Rottweil weist Schmer­zens­geldklage gegen BioNTech ab58-Jähriger wollte von BioNTech 150.000 Euro Schmerzensgeld

Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Rottweil hat die Klage gegen einen deutschen Impfstoff­her­steller wegen eines behaupteten Impfschadens abgewiesen.

Der 58-jährige Kläger hatte von der Beklagten unter anderem aufgrund einer massiven Verschlech­terung der Sehkraft auf dem rechten Auge infolge eines Augeninfarkts Schmerzensgeld in Höhe von 150.000 € sowie die Feststellung verlangt, dass ihm sämtliche materiellen und weiteren immateriellen Schäden aufgrund der Gesund­heits­be­ein­träch­tigung zu ersetzen sind.

Voraussetzungen für Anspruchs­grundlage nicht gegeben

Ob der erlittene Augeninfarkt durch die Impfung mit dem Impfstoff der Beklagten verursacht wurde, hatte die Kammer nicht zu entscheiden. Denn sie lehnte die Voraussetzungen sämtlicher in Frage kommender Anspruchs­grundlagen ab. Eine Haftung des Impfstoff­her­stellers bei Auftreten einer Nebenwirkung besteht nach § 84 Abs. 1 Arznei­mit­tel­gesetz (AMG), wenn entweder das Arzneimittel bei bestim­mungs­gemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen (sogenanntes negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis gemäß § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG) oder der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchs­in­for­mation eingetreten ist (§ 84 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AMG). Zu beiden Voraussetzungen sah die Kammer keinen ausreichenden Vortrag des Klägers.

Vortrag zu Fehlern im Zulas­sungs­ver­fahren oder neuen Erkenntnissen verlangt

Die Europäische Kommission hat in mehreren Zulas­sungs­ver­fahren für den Impfstoff, zuletzt im August 2023 für den an die Omikronvariante angepassten Impfstoff, aufgrund der Stellungnahmen der zuständigen Arznei­mit­tel­be­hörden, die unter Heranziehung von Sachver­ständigen und Auswertung sämtlicher bekannter Daten erfolgten, durchgängig ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis angenommen. Vor diesem Hintergrund verlangte die Kammer Vortrag zu Fehlern im Zulas­sungs­ver­fahren oder zu zwischen­zeitlich neuen wissen­schaft­lichen Erkenntnissen, die zu einer geänderten Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses führen würden. Der Vortrag des Klägers stützt sich nach den Ausführungen der Kammer allerdings nur auf nicht verifizierte Verdachts­mel­dungen von Impfschäden, aus dem Internet übernommene Einzelmeinungen insbesondere zum Spike-Protein, vom Kläger beauftragte nicht wissen­schaftliche Stellungnahmen von Ärzten oder sachlich unzutreffende Kritik an den Sicher­heits­be­richten des Paul-Ehrlich-Instituts. Die Kammer sah die vom Kläger behauptete politische Einflussnahme auf die Zulas­sungs­ent­schei­dungen vor dem Hintergrund der Haftungs­übernahme der Mitglieds­s­taaten nicht näher dargelegt. Als unerheblich stufte die Kammer für die aktuelle Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses ein, dass Langzeitstudien aufgrund des zeitlichen Ablaufs noch nicht vorliegen können.

Richter: BioNTech warnte ausreichend

Ausreichenden Vortrag zu einer fehlerhaften Gebrauchs­in­for­mation der Beklagten bei Inver­kehr­bringen des Impfstoffs konnte die Kammer ebenfalls nicht erkennen. Der Kläger hat insoweit insbesondere auf eine behauptete besondere Gefährlichkeit des Impfstoffs abgehoben. Die Kammer hielt hierzu den Hinweis in der Gebrauchs­in­for­mation der Beklagten zum Impfstoff, dass das Auftreten von bei Zulassung unbekannten Nebenwirkungen nicht sicher ausgeschlossen werden könne, als ausreichend an.

Kein Delikt­stat­bestand erfüllt

Die Voraussetzungen der Anspruchs­grundlagen des allgemeinen Deliktsrechts hat die Kammer gleichfalls ausgeschlossen. Für § 823 Abs. 1 BGB, wonach eine Haftung bei einer fahrlässigen Gesund­heits­be­ein­träch­tigung gegeben sein könnte, fehle es an einer pflichtwidrigen Handlung sowie am Verschulden. Auch der vom Kläger angeführte § 826 BGB, eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, sei nicht erfüllt. Der Kläger kann gegen das Urteil binnen eines Monats Berufung einlegen, über die das Oberlan­des­gericht Stuttgart entscheiden würde.

Quelle: Landgericht Rottweil, ra-online (pm/pt)

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