Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Dezember 2012 kam es an einer Zusammenkunft mehrerer Skipisten zu einem Zusammenstoß zweier Skifahrer. Zu der Kollision kam es, weil ein 12-jähriger Skifahrer mit hoher Geschwindigkeit in eine Skifahrerin hinein fuhr, als diese nach links fahren wollte. Die Skifahrerin verletzte sich aufgrund des Unfalls und klagte daraufhin auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Sie meinte, sowohl der 12-jährige Skifahrer als auch sein anwesender Vater seien für den Unfall verantwortlich gewesen.
Das Landgericht Ravensburg verneinte zunächst einen Schadenersatzanspruch gemäß § 832 Abs. 1 BGB gegen den Vater. Zwar treffe den Eltern eine Aufsichtspflicht über ihre Kinder. Dieser Aufsichtspflicht sei der Vater aber nachgekommen. Von einem 12-jährigen Kind könne erwartet werden, in einem Skigebiet selbständig eine Abfahrtspiste hinunterzufahren. Dies gelte umso mehr als das Kind seit Jahren Ski fuhr.
Demgegenüber bejahte das Landgericht einen Schadenersatzanspruch und ein Schmerzensgeld gegen den 12-jährigen Skifahrer. Denn dieser habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen.
Der 12-jährige habe nach Auffassung des Landgerichts gegen die FIS-Regel Nr. 3 verstoßen. Danach sei der von hinten kommende Skifahrer verpflichtet, so zu fahren, dass er vor ihm fahrende Skifahrer nicht gefährdet. Es sei zu beachten, dass der untere Skifahrer den uneingeschränkten Vorrang gegenüber dem von hinten kommenden hat. Zudem müsse insbesondere im Kreuzungsbereich von mehreren Pisten der von hinten kommende Skifahrer regelmäßig damit rechnen, dass ein vorausfahrender Skifahrer seine Richtung ändert. Dies habe der 12-jährige aber nicht beachtet.
Kommt es zu einem Unfall, so das Landgericht weiter, der nach der Lebenserfahrung typischerweise durch Beachtung einer Regel verhindert worden wäre, dann spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Unfall auf der Verletzung dieser Regel beruht. So habe der Fall hier gelegen. Wenn ein schnellerer Ski-Fahrer einen vorausfahrenden langsameren Fahrer einholt und anfährt, spreche der Anscheinsbeweis dafür, dass dies unter Verstoß der FIS-Regel Nr. 3 geschah.
Zudem habe nach Ansicht des Landgerichts der Beweis des ersten Anscheins dafür gesprochen, dass der Unfall unter Nichtbeachtung des gebotenen Abstands verursacht worden ist und der 12-jährige somit gegen die FIS-Regel Nr. 4 verstieß. Nach dieser Regel müsse ein Überholender einen solchen Abstand wählen, dass dem Vorausfahrenden für alle Bewegungen, die sich aus dem Skisport ergeben, genügend Raum bleibt. Der 12-jährige habe hier aber keinen ausreichenden Sicherheitsabstand gewählt. Er hätte damit rechnen müssen, dass die vorausfahrende Skifahrerin ihre Fahrtrichtung ändert.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.03.2014
Quelle: Landgericht Ravensburg, ra-online (vt/rb)