18.10.2024
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Landgericht München I Urteil19.06.2008

Fremde Fotos benutzt: Auch im Internet haften Eltern für ihre KinderTochter stellte aus 70 urheber­rechtlich geschützten Fotos Videos für myvideo.de her

Das Landgericht München I hat entschieden, dass Eltern neben ihren Kinder haftbar gemacht werden können, wenn diese mittels des bereit­ge­stellten elterlichen Internetzugangs urheber­rechtlich geschützte Werke Dritter widerrechtlich und schuldhaft öffentlich zugänglich machen.

Die damals 16-jährige Tochter der beklagten Eltern stellte auf den Inter­net­portalen www.myvideo.de und www.video.web.de Videos ein, die aus 70 Fotografien hergestellt waren, deren Urheberrechte bei der Klägerin lagen.

Klägerin: Eltern hätten Tochter bei der Internetnutzung beaufsichtigen müssen

Die Klägerin nahm neben der Tochter auch die Eltern auf Auskunft und Schadensersatz in Anspruch. Eine Unter­las­sungs­er­klärung war außer­ge­richtlich nicht abgegeben worden. Die Klägerin ist der Auffassung, die Eltern hafteten ebenfalls nach den Grundsätzen der Störerhaftung, denn sie hätten ihre elterlichen Belehrungs- und Prüfungs­pflichten verletzt. Sie hätten ihrer Tochter einen Inter­ne­t­an­schluss zur Verfügung gestellt und diese dort nach Belieben schalten und walten lassen, ohne die Nutzung des Internets im Rahmen der elterlichen Aufsichts­pflicht weiter zu prüfen.

Die Beklagten stellten eine Pflichtverletzung in Abrede. Ihre Tochter sei - was das Internet betreffe - versierter als sie. Sie habe in der Schule einen IT-Kurs belegt. Bislang sei es zu keinen Verstößen gekommen. Der Zugang zum Internet sei für Eltern heutzutage schlechthin nicht zu kontrollieren.

Gericht: Eltern haben Aufsichts­pflicht verletzt

Das Gericht gab jedoch der Klägerin Recht. Die Beklagten haben nach Auffassung der Kammer ihre elterliche Aufsichts­pflicht verletzt. Grundsätzlich bedürfen nach der Rechsprechung des Bundes­ge­richtshofs Minderjährige stets der Aufsicht. Der Aufsichts­pflichtige (hier die Eltern) kann sich jedoch entlasten, wenn er nachweist, dass er entweder seine Aufsichts­pflicht erfüllt hat, oder dass der Schaden auch bei gehöriger Beaufsichtigung oder wiederholter Belehrung entstanden wäre. Der Aufsicht­s­ichts­pflichtige hat seine Pflicht erfüllt, wenn er das im Hinblick auf Alter, Eigenart und Charakter des Aufsichts­be­dürftigen sowie das im Hinblick auf die zur Rechts­gut­ver­letzung führende konkrete Situation Erforderliche getan hat.

Gericht: Eltern müssen beobachten, womit sich Kinder in der Freizeit beschäftigen

Das Maß der gebotenen Aufsicht bestimmt sich bei Minderjährigen nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie nach der Voraus­seh­barkeit des schädigenden Verhaltens, insgesamt danach, was verständige Eltern vernünf­ti­gerweise in der konkreten Situation an erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen treffen müssen, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu verhindern. Der Aufsichts­pflichtige muss sich daher zur Feststellung des Umfangs seiner Pflicht auch darum kümmern, womit sich die Kinder in der Freizeit beschäftigen, sie insoweit gelegentlich beobachten, beim Aufräumen des Kinderzimmers und Säubern der Kleidung auf Gegenstände achten, mit denen sich die Kinder beschäftigen.

Nach Meinung der Kammer konnten die Beklagten jedoch nicht nachweisen, ihrer Belehrungspflicht nachgekommen zu sein. Wörtlich heißt es dazu:

Erläuterungen
"Eine einweisende Belehrung [die vorliegend nicht erteilt worden war] ist hierbei jedoch grundsätzlich zu fordern, da die Nutzung eines Computers mit einem Inter­ne­t­an­schluss - soweit keine "Flatrate" vereinbart worden ist - nicht nur erhebliche Verbin­dungs­ge­bühren verursachen kann, sondern auch erhebliche zivilrechtliche Haftungsrisiken birgt, von den Gefahren, die durch jugend­ge­fährdende Inhalte ausgehen, ganz zu schweigen. Ein mit dem Internet verbundener Computer steht insoweit einem "gefährlichen Gegenstand" im Sinne der oben zitierten Rechtssprechung gleich.

Soweit die Beklagten zu 1 und 2 darauf verweisen, dass vorliegend eine Belehrung ausnahmsweise entbehrlich gewesen sei, da ihre Tochter technisch auf dem Gebiet Computer/Internet wesentlich versierter gewesen sei, ist dies mit der Frage der haftungs­recht­lichen Risiken der Internetnutzung nicht gleichzusetzen.

Auch aus dem von der Beklagten zu 3 [der Tochter] besuchten IT-Kurs in der Schule kann ein Entfallen der Beleh­rungs­be­dürf­tigkeit nicht gefolgert werden, da dessen Lerninhalte nicht mitgeteilt wurden.

Ob aufgrund der allgemeinen Diskussion, insbesondere bezüglich der urheber­recht­lichen Zulässigkeit sogenannter Tauschbörsen im Internet, der Beleh­rungs­bedarf bei der Beklagten zu 3 entfallen ist, ist zweifelhaft. Es hätten gute Gründe dafür gesprochen, dies zum Anlass eines Beleh­rungs­ge­sprächs zu nehmen. Diese Frage kann vorliegend aber offen bleiben.

Denn unabhängig von der Notwendigkeit eines einleitenden Beleh­rungs­ge­spräches erfordert die elterliche Aufsichts­pflicht auch eine laufende Überwachung dahingehend, ob sich die Internetnutzung durch das Kind in dem durch die einweisende Belehrung gesteckten Rahmen bewegt .

Die Beklagten zu 1 und 2 haben nichts dazu vorgetragen, dass, wann und wie eine derartige Überwachung stattgefunden hat. Sie haben auch keine stichhaltigen Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass eine laufende Überwachung ausnahmsweise entbehrlich war. […]"

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 33/08 des LG München I vom 25.06.2008

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