18.10.2024
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Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 32854

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Landgericht München I Urteil24.04.2023

Pflicht­ver­letzung im Rahmen der Anlagen­ver­mittlungFinanz­dienst­leister haftet für fehlerhafte Rating-Angabe

Das Landgericht München I hat einen Finanz­dienst­leister zur Zahlung von 3 Millionen Euro Schadenersatz an eine Gemeinde in Baden-Württemberg wegen Pflicht­ver­letzung wegen einer Auskunft verurteilt.

Die klagende Gemeinde hatte im November 2020 vermittelt durch den beklagten Finanz­dienst­leister mit einer Bank einen Vertrag über eine Festgeldanlage in Höhe von 3 Millionen Euro abgeschlossen. Der Finanz­dienst­leister hatte der Gemeinde eine Übersicht über in Betracht kommende Festgeldanlagen zur Verfügung gestellt, bei der die Bonität der emittierenden Bank mit A- angegeben war. Tatsächlich war die Bonität auf BBB+ herabgestuft worden. Über das Vermögen der Bank wurde am 16.03.2021 das Insol­venz­ver­fahren eröffnet. Das Geld war verloren, da es, was unstreitig bekannt war, keine Sicherheit über den Einla­gen­si­che­rungsfonds gab.

Finanz­dienst­leister bestreitet Vertrags­ver­hältnis mit Gemeinde

Die Gemeinde machte geltend, sie hätte bei Kenntnis des wahren Sachverhalts die Festgeldanlage nicht gezeichnet, sie sei zur Beachtung einer A-Bonität auch verpflichtet gewesen. Der Finanz­dienst­leister vertrat die Ansicht, ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien liege nicht vor. Er habe rein aufgrund eines Maklervertrags mit der Bank gehandelt, allein von dieser habe er auch Provision erhalten. Zwischen ihm und der Gemeinde sei weder ein Anlage­ver­mitt­lungs­vertrag noch ein Auskunfts­vertrag zustande gekommen. Selbst wenn ein Schaden vorläge, sei dieser jedoch nicht auf die Fehlinformation über das Rating zurückzuführen, da dessen Verschlech­terung lediglich geringfügig sei.

LG: Konkludent Auskunfts­vertrag geschlossen

Das LG hat entschieden, dass der Finanz­dienst­leister für seine fehlerhaften Angaben haftet. Zwar ergäben sich aus dem zwischen dem Finanz­dienst­leister und der Bank geschlossenen Maklervertrag grundsätzlich keine vertraglichen Pflichten des Finanz­dienst­leisters gegenüber der Gemeinde. Ferner könne im Maklervertrag kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, hier der Gemeinde, gesehen werden, der einen Schaden­s­er­satz­an­spruch für die Klägerin rechtfertigen könnte. Auch bei Bestehen eines Maklervertrages könne aber zwischen dem Makler und dem Dritten ein weiteres, vom Maklervertrag unabhängiges Vertrags­ver­hältnis, bestehen. Zwischen der Gemeinde und dem Finanz­dienst­leister sei insoweit konkludent ein Auskunfts­vertrag im Rahmen der Anlage­ver­mittlung geschlossen worden.

Unent­gelt­lichkeit steht Vertrags­ab­schluss nicht entgegen

Der Finanz­dienst­leister sei gegenüber der Gemeinde nämlich nicht nur als „Makler“, sondern unter der Bezeichnung „Finanzierungen/Anlage­ver­mittlung“ aufgetreten. Er habe so als Vermittler für Finanzprodukte und darüber hinaus durch das Auftreten seiner Mitarbeiterin, als „Rating-Analyst (univ.)“ für sich besondere Sachkunde reklamiert. Die Gemeinde habe durch die Inanspruchnahme der Leistungen des Finanz­dienst­leisters deutlich gemacht, dass sie auf dessen besondere Sachkunde und seine Verbindungen vertraue. Damit sei zwischen den Parteien ein Vertrags­ver­hältnis geschlossen worden. Der Annahme eines Auskunfts­vertrags stehe auch nicht entgegen, dass die Gemeinde selbst keine Zahlungen an den Finanz­dienst­leister geleistet habe. Es sei anerkannt, dass ein Anlage­ver­mitt­lungs­vertrag bzw. ein Auskunfts­vertrag auch unentgeltlich geschlossen werden könne und bei Vermittlern auch regelmäßig unentgeltlich geschlossen werde.

Falsche Auskunft ursächlich für Anlagenkauf

Die falsche Auskunft des Finanz­dienst­leisters sei auch ursächlich für den Anlagenkauf der Gemeinde gewesen. Diese hätte die fragliche Festgeldanlage nicht abgeschlossen, wenn sie zutreffend informiert worden wäre, dass die emittierende Bank tatsächlich nur über ein Rating von BBB+ verfügte. Dabei streite im Rahmen eines Anlage­ver­mitt­lungs­vertrags für die Gemeinde die Vermutung aufklä­rungs­richtigen Verhaltens. Diese Vermutung habe der Finanz­dienst­leister nicht widerlegen können. Vielmehr habe die Gemeinde die Ursächlichkeit der fehlerhaften Auskunft für ihre Entscheidung nachweisen können. Hierzu führte das LG aus: „Die Kammer ist nach der von ihr der durchgeführten Beweisaufnahme der Überzeugung, dass die Klägerin bei Kenntnis des tatsächliche für die Bank bestehenden Ratings BBB+ vom Abschluss des streit­ge­gen­ständ­lichen Vertrags mit der Bank Abstand genommen hätte.“ Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Landgericht München I, ra-online (pm/ab)

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