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Landgericht München I Urteil18.02.2005
6.000 Euro Schmerzensgeld für qualvollen ZahnarztbesuchZahnarzt riet zur Einnahme von Cognac
Das Landgericht München I hat einen Münchner Zahnarzt wegen eines groben Behandlungsfehlers zur Rückzahlung des Honorars an seine Patientin, außerdem zu Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt.
Im zugrunde liegenden Fall empfahl der Zahnarzt seiner Patientin am 27. Januar 2000 eine so genannte Blockkrone für die gesamte obere Zahnreihe. Dieser Behandlung unterzog sich die Klägerin am 28. März 2000. Insgesamt mussten 14 Zähne, darunter sämtliche Oberkieferzähne, wurzelbehandelt und devitalisiert werden. Diese Prozedur dauerte etwa 12 Stunden von morgens 8.30 Uhr bis abends 20.30 Uhr. Die daran anschließende prothetische Behandlung schlug vollständig fehl, weshalb der Zahnarzt bereits vorprozessual an seine Patientin vom ursprünglich vereinbarten Behandlungshonorar in Höhe von rund 9.000 DM einen Teilbetrag von rund 6.500 DM zurückbezahlte.
Patientin verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld
Die enttäuschte Patientin verklagte den Zahnarzt auf weiteren Schadensersatz und Schmerzensgeld insbesondere wegen der Strapazen der Behandlung am 28. März 2000. Sie warf dem Arzt vor, er habe sie während der 12-stündigen Prozedur zweimal aufgefordert, zur Kreislaufstabilisierung Cognac zu trinken. Die Wurzelbehandlung der Oberkieferzähne sei medizinisch nicht indiziert gewesen. Die vom Beklagten praktizierte Komplettverblockung sei ein grober Behandlungsfehler. Der angegriffene Zahnarzt verteidigte sich vor Gericht damit, dass seine Patientin vor der Operation schriftlich auf Schmerzensgeldansprüche bzw. deren gerichtliche Durchsetzung verzichtet habe. Der Cognac sei auf ihren Wunsch zur Neutralisierung des ph-Werts verabreicht worden. Die Verblockung der Oberkieferzähne entspreche ebenso wie das Devitalisieren aller Zähne den Regeln der Zahnmedizin.
Zahnarzt zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt
Das Landgericht München I gab der mitgenommenen Patientin Recht. Es verurteilte den Zahnarzt zur Rückzahlung restlicher Behandlungskosten in Höhe von rund 1.000 Euro, außerdem zu Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 Euro.
Unterzeichnete Verzichtserklärung ist unwirksam und sittenwidrig
Das Gericht stützte dieses Urteil auf die Ausführungen eines gerichtlich bestellten Sachverständigen, der nach einer gründlichen Untersuchung der Klägerin und Auswertung sämtlicher Unterlagen das Vorgehen des Zahnarztes als groben Behandlungsfehler wertete. Es bestehe keine Nachbesserungsmöglichkeit, da die Devitalisierung gesunder Zähne irreversibel sei. Die vom Zahnarzt vorgelegte Verzichtserklärung sei unwirksam und sittenwidrig. Die Klägerin habe diesen Verzicht auf Schmerzensgeldansprüche unmittelbar vor Beginn der Behandlung in einer Überrumpelungssituation unterschrieben. Sie hatte ihre Brille schon abgelegt und den Inhalt der Erklärung nicht mehr richtig zur Kenntnis nehmen können. Ein Arzt dürfe außerdem nicht durch vollständige Haftungsfreizeichnung für alle Grade eines möglichen Verschuldens den Patienten praktisch rechtlos stellen. Eine derartige Vereinbarung verlagere das Risiko eines ärztlichen Behandlungsfehlers in unangemessener Weise ausschließlich auf den Patienten und sei deshalb sittenwidrig.
Durchführung von Wurzelbehandlungen an 14 Zähnen an einem Tag medizinisch nicht vertretbar
Das Landgericht hielt ein Schmerzensgeld von 6.000 Euro wegen der strapaziösen Behandlung vom 28. März 2000 für gerechtfertigt. Es sei medizinisch nicht vertretbar, Wurzelbehandlungen an 14 Zähnen an einem Tag durchzuführen. Dies entspreche auch nach der Einschätzung des Sachverständigen wegen der außerordentlichen Belastung für den Gesamtorganismus nicht den Regeln ärztlicher Kunst, und zwar auch dann nicht, wenn der Patient es wünsche. Eine Wurzelbehandlung müsse im Übrigen stets ultima ratio des zahnärztlichen Handelns sein, was der Beklagte nicht beachtet habe. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigte das Gericht schließlich, dass der Zahnarzt seiner Patientin in einer Behandlungspause Cognac verabreicht hatte. Dies sei nicht in der Behandlungskartei dokumentiert und auch nicht medizinisch begründbar.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 17.06.2005
Quelle: Pressemitteilung des Landgericht München I vom 10.06.2005
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