Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls hatte am 11. April 2006 den am 17. Januar 2006 geborenen Hund Gigi in der Slowakei von der Züchterin erworben. Die Tochter der Klägerin war bei dem Kauf anwesend. Mutter und Tochter lebten in der Folgezeit in der Bundesrepublik Deutschland. Gigi hielt sich bei ihnen auf. Die Tochter zog dann später wegen massiver Streitigkeiten zu ihrem Vater, dem getrennt lebenden Ehemann der Klägerin. Gigi verblieb bei der Klägerin. Die Tochter holte den Hund gelegentlich dort ab und gab ihn anschließend wieder zurück.
Am 4. August 2006 holte sie wiederum den Hund bei der Klägerin ab und brachte ihn allerdings nicht, wie vereinbart, am 5. August 2006 zurück. Stattdessen wollte sie ihn erst in der nächsten Woche zurückgeben, was nicht geschah. Auf Nachfrage erfuhr die Klägerin, dass der Hund "irgendwo" in Pflege gegeben worden sei. Durch Urteil des Amtsgerichts Siegen wurde ihr getrennt lebender Ehemann verurteilt, mitzuteilen, wo sich der Hund aufhielt. Im Juli 2007 erfuhr sie, dass Gigi bei der in Marburg wohnenden Beklagten lebte. Diese wollte den Hund nicht wieder hergeben.
Mit Klage beim Amtsgericht Marburg strebte die Klägerin die Herausgabe an. Das Amtsgericht hat umfangreich Beweis erhoben durch Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen aus Deutschland und der Slowakei. Durch Urteil vom 15. Dezember 2009 wurde die Beklagte verurteilt, den Hund herauszugeben. Dagegen wandte sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die durch Beschluss des Landgerichts Marburg zurückgewiesen wurde.
In der Entscheidung des Landgerichts, mit der das Urteil des Amtsgerichts bestätigt wurde, wird darauf abgestellt, dass Gigi im Eigentum der Klägerin steht. Er sei von ihr bei der Züchterin in der Slowakei erworben worden. Das Amtsgericht habe nach umfangreicher Beweisaufnahme unter Würdigung des schriftlich geschlossenen Kaufvertrages sowie Vernehmung der beteiligten Personen festgestellt, dass der Erwerb des Hundes alleine durch die Muter erfolgte und die Tochter keine Eigentümerin wurde.
Deshalb konnte die Tochter nicht berechtigt den Hund an die Beklagte weitergeben. Sie hatte sich den Hund jeweils nur für begrenzte Zeiträume bei der Mutter geholt und war verpflichtet ihn wieder zurückzubringen. Sie hatte nicht die Verfügungsbefugnis über den Hund. Da das Gericht in beiden Instanzen festgestellt hat, dass die Tochter der Klägerin nicht Eigentümer war, konnte sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass ihr der Hund von der Tochter übergeben worden war und sie ihn behalten darf. Die Tochter war nicht berechtigt, den Hund an die Beklagte weiterzugeben. Im Hinblick auf das weiterhin gegebene Eigentum der Klägerin war diese berechtigt, ihn von der Beklagten zurückzuverlangen.
Soweit in dem Verfahren Gesichtspunkte des Tierschutzes von dem Rechtsanwalt der Beklagten vorgebracht wurden, hat das Gericht darauf abgestellt, dass die Berücksichtigung des Tierschutzes in Artikel 20 a des Grundgesetzes bei der Anwendung rechtlicher Bestimmungen als Auslegungshilfe heranzuziehen ist. Das Gericht weist daraufhin, dass der Gesetzgeber in § 90 a BGB eine Sondervorschrift für Tiere geschaffen habe. Die für Sachen geltenden Vorschriften seien entsprechend anwendbar. Das Landgericht hat daher den Einwand der Beklagten abgewiesen. Die Beklagte begehrte, dass ein tierpsychologisches Gutachten eingeholt werden sollte, das bestätigen sollte, dass sie eine intensivere Beziehung zu dem Hund habe als die Klägerin. Nach der Deutschen Rechtsordnung ist auch unter Berücksichtigung des Tierschutzes im Grundgesetz bei Tieren zunächst auf die eigentumsrechtliche Lage und nicht auf die nahe Beziehung eines Tieres zu einer Person abzustellen. Das Gericht schließt sich insoweit der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur an.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 17.09.2010
Quelle: Landgericht Marburg/ra-online