Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im März 2015 kaufte sich eine Frau bei einer Vertragshändlerin von Audi einen Audi A 1 mit einem Dieselmotor des Typs EA 189. Das Fahrzeug war mit der sogenannten Schummel-Software ausgestattet. Durch diese war es möglich, dass das Fahrzeug die nach der Euro-5-Abgasnorm vergebenen NOx-Grenzwerte einhält. Nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals erklärte die Frau im März 2016 den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung zurück. Die Vertragshändlerin weigerte sich den Kaufpreis zu erstatten und bot stattdessen ein Software-Update an. Dieses befand sich aber noch in der Entwicklung. Zudem bestritt die Vertragshändlerin das Vorliegen eines Mangels. Das Fahrzeug sei technisch sicher, in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt und verfüge über sämtliche Genehmigungen. Die Käuferin ließ dies nicht geltend und erhob Klage.
Das Landgericht Krefeld entschied zu Gunsten der Klägerin. Ihr habe ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung zugestanden. Die Klägerin habe wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten dürfen, da der Audi A 1 über einen Sachmangel verfügt habe.
Nach Ansicht des Landgerichts sei der Audi A 1 mangelhaft gewesen, da das Fahrzeug nicht die Euro-5-Abgasnorm erfüllt habe. Damit habe ihm eine Beschaffenheit gefehlt, wie sie bei Sachen der gleichen Art üblich sei und die ein Käufer nach der Art der Sache erwarten könne (§ 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Die Klägerin habe bei ihrer Kaufentscheidung davon ausgehen dürfen, dass der erworbene Pkw die für ihn geltenden Abgasvorschriften einhalte und die dazugehörigen Emissionswerte korrekt ermittelt worden seien. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Die Einhaltung der Vorschriften sei nur auf den Einsatz der manipulierten Software zurückzuführen gewesen und sei damit nicht vorschriftsmäßig sichergestellt worden.
Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung sei wegen deren Unzumutbarkeit gemäß § 440 BGB entbehrlich gewesen, so das Landgericht. So habe die begründete Befürchtung bestanden, dass das Software-Update entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen würde. Es sei zum Zeitpunkt des Rücktritts nicht auszuschließen gewesen, dass die Beseitigung der manipulierten Software negative Auswirkungen auf die übrigen Emissionswerte, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung haben würde. Weiterhin sei es der Klägerin zeitlich unzumutbar, auf die Nacherfüllung zu warten. Angesichts des noch in der Entwicklung befindlichen Software-Updates sei es der Klägerin gar nicht möglich gewesen, sinnvoll eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen. Schon allein das Abwarten ins Ungewisse sei unzumutbar. Schließlich sei eine Nacherfüllung unzumutbar gewesen, weil das Vertrauensverhältnis zu Audi nachhaltig zerstört gewesen sei. Dieser Vertrauensverlust habe sich auch auf die Beziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten als Vertragshändlerin von Audi ausgewirkt. Es sei zu befürchten gewesen, dass die Beklagte eher im Lager des VW-Konzerns stehe und dessen wirtschaftliche Interessen verfolge bzw. bevorzuge. Dies gelte vor allem in Anbetracht dessen, dass die Beklagte den Mangel noch im Prozess geleugnet habe.
Der Rücktritt sei nach Auffassung des Landgerichts nicht gemäß § 323 Abs. 5 BGB ausgeschlossen gewesen, da die Pflichtverletzung nicht als unerheblich anzusehen sei (andere Ansicht: LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 - I-2 O 425/15 -). Ein erheblicher Mangel habe allein deshalb vorgelegen, weil zum Zeitpunkt des Rücktritts trotz des damals angekündigten Software-Updates ein erheblicher und berechtigter Mangelverdacht verblieben sei und damals noch nicht absehbar gewesen sei, wann der Pkw der Klägerin nachgebessert werden würde. Nicht außer Betracht habe ferner bleiben dürfen, dass ohne den Rücktritt die Klägerin faktisch zu einer ihr unzumutbaren Nachbesserung gezwungen werden würde. Zudem würde sich der erhebliche Imageverlust von Audi auf die Preise auf dem Gebrauchtwagenmarkt niedergeschlagen, was zu einem merkantilen Minderwert führen könne. Schließlich sei der Vertrauensverlust bei der Bewertung der Erheblichkeit des Mangels zu berücksichtigen gewesen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.11.2016
Quelle: Landgericht Krefeld, ra-online (vt/rb)