15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.

Dokument-Nr. 29104

Drucken
ergänzende Informationen

Landgericht Koblenz Urteil21.04.2020

Facebook darf Nutzer wegen "Hassrede" sperrenHassrede in sozialen Medien - Wirksamkeit der Nutzungs­be­din­gungen zur Sperrung des Zugangs

Facebook hat ein virtuelles Hausrecht. Es darf auch zulässige Meinung­s­äu­ße­rungen löschen, wenn es dies nach seinen allgemeinen Geschäfts­bedingungen als "Hassrede" einstuft. Auch eine vorübergehende Sperrung des Nutzeraccounts ist zulässig. Dies geht auch einer Entscheidung des Landgerichts Koblenz hervor.

Der Kläger ist Nutzer eines sozialen Netzwerks der Beklagten. Diese änderte im Jahr 2018 ihre Nutzungs­be­din­gungen, denen der Kläger per Mausklick zustimmte, um den Dienst der Beklagten weiter nutzen zu können. Die Beklagte entfernte in der Folgezeit zunächst zwei politisch motivierte gegen Menschen mit Migra­ti­o­ns­hin­tergrund gerichtete Posts wegen Verstoßes gegen diese Nutzungs­be­din­gungen, weil sie von ihr als Hassrede eingestuft wurden und sperrte das Konto für bestimmte Funktionen. Nach weiteren ähnlich gelagerten Posts, die die Beklagte ebenfalls als Hassrede einstufte, entfernte sie die durch den Kläger betriebene Seite und sperrte das private Profil des Klägers zweimal vorläufig für 30 Tage. Der Kläger hält die Nutzungs­be­din­gungen für unwirksam und die Löschung sowie Sperrung für rechtswidrig. Er klagt deshalb auf Freischaltung und Wieder­her­stellung der Seite.

Landgericht weist Klage ab - Nutzer hat den Nutzungs­be­din­gungen zugestimmt

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Durch die Registrierung im sozialen Netzwerk hat der Kläger einen Vertrag mit der Beklagten unter Einschluss der Nutzungs­be­din­gungen geschlossen. Es gelten auch die aktuellen (verschärften) Nutzungs­be­din­gungen zur „Hassrede", nachdem der Kläger durch Bestätigung per Mausklick diesen zugestimmt hat. Daran ändert nichts, dass dem Kläger keine andere Möglichkeit als die Bestätigung geblieben ist, wenn er sein Konto weiter nutzen wollte. Ihm wäre nämlich die Nutzung eines anderen sozialen Netzwerks ebenso möglich gewesen wie der völlige Verzicht auf die Nutzung eines solchen Netzwerks, da die Pflege von Beziehungen mit Freunden auch offline möglich ist.

Nutzungs­be­din­gungen verstoßen nicht gegen das Trans­pa­renzgebot

Im Übrigen handelt es sich bei den Nutzungs­be­din­gungen um Allgemeine Geschäfts­be­din­gungen (AGB), die nach Ansicht der Kammer auch nicht gegen das für AGB geltende Trans­pa­renzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB verstoßen. Das Gericht hat die Nutzungs­be­din­gungen als in einfacher Sprache gefasst und leicht verständlich eingestuft, insbesondere werde auch detailliert erläutert, was die Beklagte unter „Hassrede" versteht. Es werde weiterhin deutlich, dass nicht nur strafbare Äußerungen unter „Hassrede" fallen.

Weiterhin sieht das Gericht in diesem Zusammenhang keine Notwendigkeit, in den Nutzungs­be­din­gungen an jeden Verstoß eine konkrete Rechtsfolge zu knüpfen. Das Gericht akzeptiert hier einen Spielraum der Beklagten, da diese sich nach ihren Nutzungs­be­din­gungen bei ihrer Entscheidung nicht nur an dem einzelnen Verstoß des Nutzers orientiert, sondern auch das vorherige Nutzungs­ver­halten des Nutzers bei der Entscheidung berücksichtigt.

Facebook hat "virtuelles Hausrecht"

Auch verstoßen die Nutzungs­be­din­gungen nach dieser Entscheidung nicht gegen den Grundsatz der Meinungsfreiheit, da dieser das virtuelle Hausrecht der Beklagten gegenüber steht. Der Beklagten muss ein solches virtuelles Hausrecht zugestanden werden, da diese das Risiko meiden müsse, ihrerseits wegen Äußerungen der Nutzer im sozialen Netzwerk unter anderem durch die Behörden in Haftung genommen zu werden. Deshalb darf die Beklagte auch Äußerungen unterbinden, die in den Grenzbereich der Legalität fallen. Auch ist zu berücksichtigen, dass Posts, die von einer Vielzahl anderer Nutzer als extrem, unnötig provozierend und einschüchternd empfunden werden können, die anderen Nutzer zur Beendigung der Nutzung des sozialen Netzwerks bewegen können. Dies wirke sich dann negativ auf den von der Beklagten beabsichtigten Meinungs­aus­tausch und ihr Geschäfts-modell aus. Es könne daher der Beklagten nicht generell verboten werden, Löschungen und Sperrungen vorzunehmen, selbst wenn diese die Grenzen zulässiger Meinung­s­äu­ßerung nicht überschreiten.

Für Hassrede muss die Beklagte ihr Netzwerk auch unter Berück­sich­tigung der Meinungs­freiheit nicht zur Verfügung stellen.

Quelle: Landgericht Koblenz, ra-online (pm/pt)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil29104

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI