18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen die Rücken von verschiedenen Zeitungen, die nebeneinander aufgereiht wurden.
ergänzende Informationen

Landgericht Koblenz Urteil29.05.2024

Negative Online-Bewertung eines ArztesPortalbetreiber kann nicht als unmittelbarer Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden

Hat ein Arzt gegen den Betreiber eines Online-Portals einen Unterlassungs­anspruch hinsichtlich der Veröf­fent­lichung einer von einem Dritten abgegebenen negativen Bewertung seiner Praxis? Diese Frage hatte das Landgericht Koblenz zu beantworten.

Bei dem Kläger handelt es sich um einen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit einer von ihm betriebenen Arztpraxis. Die Beklagte betreibt ein Internet-Portal, in dem Patienten nach Ärzten suchen und diese bewerten sowie Ärzte sich selbst präsentieren können. Auf der Internetseite der Beklagten wurde eine mit nur einem Stern benotete Bewertung eines anonymen Verfassers veröffentlicht. Dem Kläger wurde in der Bewertung u.a. vorgeworfen, keine Interessen an den Beschwerden des Verfassers gehabt und innerhalb weniger Minuten ein MRT für notwendig befunden zu haben, ohne sich für die beim Verfasser vorhandene Klaustrophobie zu interessieren. Der Kläger habe auch nicht nach Aufnahmen der letzten zwei Jahren gefragt. Der Kläger forderte daraufhin die Beklagte dazu auf, die Bewertung von ihrem Portal zu entfernen. Die Beklagte hörte hierzu den bei ihr nur mit einer E-Mail-Adresse registrierten Verfasser der Bewertung an und lehnte danach die Entfernung der Bewertung ab. In dem vorliegenden Verfahren beantragte der Kläger sodann, die Beklagte zu verurteilen, eine Veröf­fent­lichung der oben dargestellten Bewertung auf ihrem Portal zu unterlassen. Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Streitig zwischen den Parteien war, ob es überhaupt einen Patien­ten­kontakt gegeben habe, bzw. ob der Kläger in der Lage war einen entsprechenden Patien­ten­kontakt zuzuordnen oder ob es an entsprechenden Anhaltspunkten sowohl in der Bewertung selbst als auch im Vortrag der Beklagten fehlte. Der Kläger war zudem der Meinung, dass die abgegebene Bewertung gegen sein Persön­lich­keitsrecht verstoße und er daher gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Veröf­fent­lichung habe. Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass kein Unterlassungsanspruch bestehe, weil sie keiner Störerhaftung unterliege. Sie habe weder Prüfpflichten verletzt noch in das allgemeine Persön­lich­keitsrecht des Klägers eingegriffen.

Prüfpflichten nicht verletzt - keine Haftung als mittelbarer Störer

Das LG hat die Klage abgewiesen. Hostprovider wie die Beklagte könnten zwar grundsätzlich als Störer auf Unterlassung bzw. Beseitigung gem. § 1044 Abs. 1 BGB analog haften, weil diese eine Plattform zur Verfügung stellen, auf der anonyme Bewertungen abgegeben werden können. Wer - ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beitrage, könne als mittelbarer Störer für die Unterlassung einer Schutz­rechts­ver­letzung in Anspruch genommen werden. Die Haftung als mittelbarer Störer dürfe aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beein­träch­tigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setze deshalb die Verletzung von Verhal­tenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimme sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten sei. Da die Beklagte unstreitig auf die Beschwerde des Klägers ein Überprü­fungs­ver­fahren eingeleitet, eine Stellungnahme durch den Verfasser der Bewertung eingeholt und diese der Klägerin zur Stellungnahme weitergeleitet habe, habe sie ihre Prüfpflicht nicht verletzt.

Beklagte trifft hinsichtlich des Behand­lungs­kontakts lediglich sekundäre Darlegungslast

Soweit der Kläger behauptete, dass überhaupt kein Patien­ten­kontakt zwischen ihm und dem Verfasser der Bewertung stattgefunden habe und die Beklagte bereits deshalb ihre Prüfpflicht verletzt habe, vermochte dies die Kammer nicht zu überzeugen. Zwar komme grundsätzlich eine Verletzung des Klägers in seinem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht in Betracht, wenn der in der angegriffenen Äußerung enthaltene tatsächliche Bestandteil unrichtig gewesen sei und dem Werturteil damit jegliche Tatsa­chen­grundlage fehle. Darlegungs- und beweisbelastet für das Fehlen eines Behand­lungs­kontakts sei jedoch insoweit der Kläger. Die Beklagte treffe hinsichtlich des Behand­lungs­kontakts lediglich eine sekundäre Darlegungslast. Dieser sekundären Darlegungslast sei die Beklagte hinreichend nachgekommen. Die Beklagte habe sowohl eine Stellungnahme des Verfassers der Bewertung angefordert, als auch einen ungefähren Behand­lungs­zeitraum angegeben. Weiter habe die Beklagte ausreichend ermittelt, dass beim Verfasser der Bewertung keine weiteren Unterlagen mehr zu der Behandlung existieren. Es sei nicht ersichtlich welche weiteren Nachforschungen die Beklagte hätte anstellen können, um unter Wahrung der Anonymität des Verfassers der Bewertung den Sachverhalt weiter aufzuklären.

Das Vorbringen des Klägers, dass kein Patien­ten­kontakt stattgefunden habe, sei hingegen bereits unsubstantiiert. Dieses beschränke sich im Wesentlichen darauf, dass es an Hand der Stellungnahmen und der Bewertung weder dem Kläger, noch dem Praxisteam möglich sei, die Beschwerden und das Vorbringen einem konkreten Patien­ten­kontakt zuzuordnen. Hinsichtlich des Inhalts der Bewertung sei bereits nach dem Klagevortag nicht ersichtlich, dass die in der Bewertung geäußerten Tatsachen nicht der Wahrheit entsprechen. Es könne daher auch diesbezüglich keine Pflicht­ver­letzung der Beklagten festgestellt werden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle: Landgericht Koblenz, ra-online (pm/ab)

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil34248

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI