21.11.2024
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Landgericht Koblenz Urteil18.10.2019

Verpasster Flug: Reisende müssen sich vorab über Abflug­mo­da­litäten erkundigenKein Anspruch auf Schadensersatz bei selbst­ver­schuldetem Reisemangel

Das Landgericht Koblenz hat entschieden, dass sich Reisende vor Antritt einer Flugreise über die Abflug­for­ma­litäten erkundigen müssen. Verpassende Reisende einen Flug, weil sie die vom Reise­ver­an­stalter angegebene Empfehlung für die Ankunft am Check-In-Schalter nicht beachten, besteht kein Anspruch auf Schadensersatz.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls buchte für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten, einem Reise­un­ter­nehmen, eine Pauschalreise nach Indonesien/Bali in der Zeit vom 25. Oktober 2018 bis 10. November 2018 zu einem Preis von 2.798 Euro. Laut Reiseplan sollte der Hinflug am 25. Oktober 2018 um 17.35 Uhr vom Flughafen Frankfurt am Main erfolgen. Der Kläger gab nach seinem eigenen Vortrag das Gepäck gegen 16 Uhr auf und ging anschließend unmittelbar zur Passkontrolle, wo er sich gut 90 Minuten vor Abflug eingefunden habe. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich dort bereits ca. 400 Flugpassagiere befunden, die von lediglich zwei Bundes­po­li­zisten kontrolliert werden sollten. Aufgrund dessen erreichte der Kläger mit seiner Ehefrau erst gegen 17.30 Uhr den Flugsteig, wo ihnen der Zustieg verweigert wurde. Stattdessen wurde das Gepäck der Eheleute aus dem Flugzeug wieder ausgeladen. Die Beklagte bot dem Paar gegen Zuzahlung von 1.640 Euro einen Ersatzflug an, was der Kläger wegen der Kosten aber ablehnte. Vorgerichtlich zahlte die Beklagte dem Kläger einen Stornobetrag von 559,60 Euro zurück. Den Restbetrag der Reisekosten verlangt der Kläger mit der vorliegenden Klage.

AG gibt Klage statt

Das Amtsgericht gab der Klage statt und sah einen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 651 d Abs. 1 Satz 2, 638 Abs. 4 BGB in der zum Zeitpunkt der Durchführung der Reise geltenden Fassung als gegeben an. Dabei ging das Amtsgericht davon aus, dass die Reise mangelhaft gewesen sei, weil die Beklagte schon die Flugleistung und damit im Ergebnis die Reiseleistung insgesamt nicht erbracht habe. Die aus Sicht des Amtsgerichts vorliegende Unterbesetzung der Bundespolizei sei der Beklagten zuzurechnen, wobei es auf ein Verschulden der Beklagten als Reise­ver­an­stalter nicht ankomme. Hiergegen wandte sich die Beklagte mit ihrer Berufung und begehrte eine Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts und eine Abweisung der Klage.

Keine Haftung des Reise­ver­an­stalters bei Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos

Das Landgericht schloss sich in seiner Entscheidung der Auffassung des beklagten Reise­un­ter­nehmens an und wies die Klage ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass es zunächst zutreffend sei, dass die Beklagte als Reise­ver­an­stalter grundsätzlich auch ohne Verschulden für Reisemängel nach §§ 651 d Abs. 1 Satz 2, 638 Abs. 4 BGB hafte. Zugrunde zu legen sei aber der weite Mängelbegriff des § 651 c BGB. Danach hafte ein Reise­ver­an­stalter nur, soweit sich nicht ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht oder der Reisende selbst den Mangel verschuldet hat.

LG: Reisende müssen sich über Abflug­for­ma­litäten informieren

Entschei­dungs­er­heblich kam es für das Landgericht deshalb darauf an, ob die von dem Kläger für die Sicherheitskontrolle sowie das Boarding eingeplanten gut 90 Minuten als ausreichend anzusehen sind. Insoweit führte die Beklagte an, dass nach ihren Empfehlungen in den Reiseunterlagen Passagiere spätestens zwei Stunden vor Abflug am Check-In-Schalter sein sollen. Den Zugang dieser Reiseunterlagen bestritt der Kläger. Dies entlaste ihn nach Auffassung des Gerichtes aber nicht. Sollte er die Reiseunterlagen mit den für ihn notwendigen Informationen tatsächlich nicht erhalten haben, hätte er nämlich die Verpflichtung gehabt, sich über die Abflug­for­ma­litäten zum Beispiel beim Flugha­fen­be­treiber zu erkundigen. Dieser wiederum empfiehlt Passagieren, sich mindestens zwei bis drei Stunden vor Abflug am Check-In-Schalter einzufinden. Dieser Empfehlung sei der Kläger nach seinem eigenen Vortrag nicht nachgekommen. Damit habe er selbst das Risiko in Kauf genommen und zu verantworten, dass nicht ausreichend Zeit für die Abflug­for­ma­litäten bleibe.

Deshalb stehe dem Kläger zur Überzeugung des Landgerichts kein Anspruch auf Schadensersatz gegen das beklagte Reise­un­ter­nehmen zu.

Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch:

§ 638 Minderung

(1) 1 Statt zurückzutreten, kann der Besteller die Vergütung durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer mindern. 2 Der Ausschlussgrund des § BGB § 323 Abs. BGB § 323 Absatz 5 Satz 2 findet keine Anwendung.

(2) Sind auf der Seite des Bestellers oder auf der Seite des Unternehmers mehrere beteiligt, so kann die Minderung nur von allen oder gegen alle erklärt werden.

(3) 1 Bei der Minderung ist die Vergütung in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertrags­schlusses der Wert des Werkes in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. 2 Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.

(4) 1 Hat der Besteller mehr als die geminderte Vergütung gezahlt, so ist der Mehrbetrag vom Unternehmer zu erstatten. 2 § BGB § 346 Abs. BGB § 346 Absatz 1 und § BGB § 347 Abs. BGB § 347 Absatz 1 finden entsprechende Anwendung.

§ 651 c Abhilfe (gültig ab 01.01.2018 bis 30.06.2018)

(1) Der Reise­ver­an­stalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.

(2) 1 Ist die Reise nicht von dieser Beschaffenheit, so kann der Reisende Abhilfe verlangen. 2 Der Reise­ver­an­stalter kann die Abhilfe verweigern, wenn sie einen unver­hält­nis­mäßigen Aufwand erfordert.

(3) 1 Leistet der Reise­ver­an­stalter nicht innerhalb einer vom Reisenden bestimmten angemessenen Frist Abhilfe, so kann der Reisende selbst Abhilfe schaffen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. 2 Der Bestimmung einer Frist bedarf es nicht, wenn die Abhilfe von dem Reise­ver­an­stalter verweigert wird oder wenn die sofortige Abhilfe durch ein besonderes Interesse des Reisenden geboten wird

§ 651 d Minderung (gültig ab 01.01.2018 bis 30.06.2018)

(1) 1 Ist die Reise im Sinne des § BGB § 651 c Abs. BGB § 651 C Absatz 1 mangelhaft, so mindert sich für die Dauer des Mangels der Reisepreis nach Maßgabe des § BGB § 638 Abs. BGB § 638 Absatz 3. 2 § BGB § 638 Abs. BGB § 638 Absatz 4 findet entsprechende Anwendung.

(2) Die Minderung tritt nicht ein, soweit es der Reisende schuldhaft unterlässt, den Mangel anzuzeigen.

Quelle: Landgericht Koblenz/ra-online (pm/kg)

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