Im zugrunde liegenden Fall verklagte die Inhaberin eines Restaurants in Hannover einen Gast, der einen Tisch reservierte hatte und nicht erschienen war, auf Schadensersatz in Form von entgangenem Gewinn. Der Gast hatte anläßlich der Cebit-Messe in der Zeit vom 14.03. - 20.03.1996 einen Tisch für 5-6 Personen für jeden Abend ab 19.30 Uhr reserviert, ohne dass von Seiten des Gastes jemand erschienen war.
Durch FAX vom 23.02.1996 hatte die Klägerin dem Gast (Beklagte) die Tischbestellung bestätigt und zugleich die Menükarte übersandt. Wunschgemäß schickte die Beklagte das Fax unterschrieben zurück. Als seitens der Beklagten in den ersten Tagen ab 14.03.96 niemand im Restaurant erschienen war, wies die Klägerin die Beklagte durch Fax vom 17.03.1996 auf die Reservierung hin, kündigte eine Berechnung an und fragte, ob die Tischreservierung weiter aufrechterhalten werden solle. Die Beklagte stornierte die Reservierung daraufhin ab 18.03.1996.
Die Klägerin berechnete der Beklagten durch Schreiben vom 20.03.1997 für die Reservierung für vier Tage für 5 Personen, d.h. insgesamt 20 Personen den durchschnittlichen Restaurantumsatz pro Person von angeblich 203,46 DM abzüglich 30 % ersparter Aufwendungen, insgesamt also 2.848,44 DM.
Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die Tischreservierung sei ein unverbindlicher Service der Klägerin gewesen. Dies gelte jedenfalls in diesem Fall, in dem von der Klägerin weder besondere Vorbereitungen hätten getroffen werden müssen, noch besondere Räume hätten zur Verfügung gehalten oder Aufwendungen getätigt werden müssen.
Dagegen stellte das Landgericht in der Berufungsinstanz fest, dass der Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo, § 242 BGB) zustehe.
Die Klage scheitere jedoch daran, dass die Beklagte aus diesem rechtlichen Gesichtspunkt der Klägerin nur für den "Vertrauensschaden" haftet und ein solcher nicht festgestellt werden kann.
Das Landgericht führte aus, dass zwischen den Parteien im Sinne des Faxschreibens der Klägerin vom 23. Februar 1996 Vertragsverhandlungen geführt worden seien, die zum Ziele hatten, dass die Beklagte bzw. ihre Gäste während der CeBIT-Messe 1996 die Gaststätte der Beklagten aufsuchen sollten und dort Bewirtungsverträge abschließen sollten. Die Klägerin sollte dies durch entsprechende Tischreservierungen ermöglichen. Während die Klägerin ihrerseits die vereinbarten Voraussetzungen für den Abschluss von konkreten Bewirtungsverträgen geschaffen habe, habe die Beklagte grundlos diese Vertragsvorbereitungen abgebrochen und die Gaststätte weder zum Abschluss der Verträge aufgesucht noch der Klägerin rechtzeitig ihren Sinneswandel mitgeteilt. Mit Rücksicht auf die in dem Faxschreiben festgelegte Verhandlungsgrundlage, die der Beklagten deutlich machte, dass die Klägerin sich auf das Erscheinen der Gäste einrichtete und eventuell sogar Vorbereitungen dafür traf, erscheine es grundsätzlich gerechtfertigt, der Klägerin nach § 242 BGB einen Anspruch auf Ersatz desjenigen Schadens zuzubilligen, der ihr dadurch entstanden sei, dass sie auf das Erscheinen der Gäste vertraut habe und deshalb für eine angemessene Zeit Tische reserviert hatte.
Jedoch ergebe sich aus diesem Gesichtspunkt nur ein Ersatzanspruch in Höhe des Vertrauensschadens (negativen Interesses) und nicht ein Anspruch auf das Erfüllungsinteresse. Es ist nicht feststellbar, dass der Klägerin ein solcher Schaden entstanden wäre.
Zunächst sei dabei zu berücksichtigen, dass die Klägerin trotz der Vereinbarung über die Tischreservierung nicht gehindert gewesen sei, bereits am ersten Tag der Reservierungszeit den reservierten Tisch nach Ablauf von ca. einer Stunde anderweit zu nutzen. Da die Beklagte sich auch weder schriftlich noch mündlich meldete, konnte die Klägerin an den Folgetagen von einer Tischreservierung überhaupt absehen. Das ergebe sich aus den bei derartigen Tischreservierungen üblichen Regeln, wonach der Gast nur für begrenzte Zeit mit der Aufrechterhaltung einer Reservierung rechnen könne. Etwas anderes sei auch dem Faxschreiben nicht zu entnehmen. Auch während der begrenzten Zeit der Tischreservierung wäre allerdings ein Schaden denkbar, wenn die Klägerin andere Gäste hätte abweisen müssen (entgangener Gewinn, § 252 BGB). Das habe sie aber selbst nicht dargelegt. Im Gegenteil habe sie selber vorgetragen, dass es selbst in Messezeiten keineswegs ungewöhnlich sei, dass einzelne Tische frei blieben. Es ist demgemäß nicht ersichtlich, dass die Klägerin etwa wegen der Tischreservierung für die Beklagte keine freien Kapazitäten mehr gehabt hätte und andere Verdienstmöglichkeiten deshalb eingebüßt hätte.
Desgleichen habe die Klägerin nichts dazu vorgetragen, dass sie wegen der aufgrund des Faxschreibens vom 23.02.1996 zu erwartenden Gäste besondere Aufwendungen gehabt hätte, etwa durch Bereitstellung besonderer Speisen, Tischschmuck, Einstellung von zusätzlichem Personal oder ähnlichem. Irgendwelche Vorbereitungskosten oder sonstige zusätzliche Aufwendungen im Zusammenhang mit der Tischreservierung sind nicht substantiiert.
Die Klägerin mache mit der Klage der Höhe nach den Betrag geltend, den sie angeblich verdient hätte, wenn die Gäste erschienen wären und im üblichen Umfang Bewirtungsverträge abgeschlossen hätten. Dabei handele es sich jedoch um das Erfüllungsinteresse beim Abschluss entsprechender Bewirtungsverträge, zu denen es gerade nicht gekommen ist. Die Beklagte war auch aufgrund der Reservierungsvereinbarung nicht verpflichtet, derartige Bewirtungsverträge abzuschließen. Soweit aus amtsgerichtlicher Rechtsprechung etwa etwas anders herausgelesen werden könnte, vermochte das Landgericht dem nicht zu folgen (vgl. hierzu AG Siegburg, Urteil v. 30.11.1990 - 6 C 464/90 - = NJW 1991, 1305; AG Düsseldorf, MDR 1985, 408; AG Hamburg, Urteil v. 10.07.1973 - 20a C 275/73 - = NJW 1973, 2253). Es handele sich hier auch nicht darum, ein Gefälligkeitsverhältnis von einem rechtlich bindenden Vertrag abzugrenzen (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 03.11.1983 - III ZR 125/82 - = BGHZ 88, 373,382 = NJW 1984, 1533).
Denn die Reservierungsvereinbarung diente lediglich der Anbahnung noch auszuhandelnder und eventuell abzuschließender Bewirtungsverträge. Der Inhalt der beabsichtigten Verträge sei noch gänzlich unbestimmt sowohl hinsichtlich der Aufenthaltsdauer als auch der Speisen und Getränke in Art und Menge. Daraus ergebe sich zugleich, dass es sich bei der Reservierungsvereinbarung nicht um einen Vorvertrag handelt, mit dem sich die Beklagte etwa zum Abschluss bestimmter Hauptverträge verpflichtet hätte. Mit Recht hat auch das Amtsgericht insoweit ausgeführt, dass sich die Beklagte durch die Tischreservierung die Chance eröffnen wollte, mit den erwarteten Gästen Umsätze zu tätigen, ohne dass diese Umsätze damit schon konkret vereinbart gewesen seien. Auch die in diesem Fall gewählte Schriftform durch das Fax vom 21.02.1996 führe zu keinem anderen Ergebnis, sondern vermöge nur den anfangs dargestellten, aber mangels Schadens nicht zielführenden Schadensersatzanspruch zu begründen. Der Klägerin hätte es offengestanden, mit der Beklagten eine Vertragsstrafe zu vereinbaren, wenn sie sich einen bestimmten "Garantiebetrag" hätte sichern wollen. Das habe sie jedoch unterlassen.
Desgleichen habe es die Klägerin unterlassen, für die Tischreservierung als solche ein mietähnliches Entgelt zu vereinbaren, was ebenfalls möglich gewesen wäre, auch wenn es unüblich sei. Die Vereinbarung in dem Fax vom 17. 03. 1996 enthalte jedoch keine derartige entgeltliche Vereinbarung.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 17.09.2010
Quelle: ra-online, Landgericht Kiel (vt/pt)