21.11.2024
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Landgericht Itzehoe Beschluss08.12.2009

LG Itzehoe: Auch ohne richterliche Zustimmung eingeholtes Bluta­l­ko­hol­gut­achten als Beweismittel verwertbarBei zu befürchtendem Beweis­mit­tel­verlust darf auch Polizei Blutabnahme anordnen

Wird von der Polizei bei einer Verkehr­s­kon­trolle ein Bluta­l­ko­hol­gut­achten ohne vorherige richterliche Zustimmung eingeholt, führt dies nicht immer zu einem Verwer­tungs­verbot der Blutprobe. Ist bei einer zeitlichen Verzögerung durch Einholen eines richterlichen Beschlusses ein Beweis­mit­tel­verlust zu befürchten, darf auch die Polizei die Blutabnahme anordnen. Dies hat das Landgericht Itzehoe entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall befuhr der beschuldigte Autofahrer am 27. September 2009 gegen 18.27 Uhr mit einem PKW Mercedes die B 431 zwischen Hochdonn und Gribbohm. Nachdem der um 18.59 Uhr durchgeführte Atemalkoholtest eine Atema­l­ko­hol­kon­zen­tration von 1,3 Promille aufwies, ordnete der ermittelnde Polizeibeamte eine Blutprobe an. Die dem Beschuldigten um 19.28 Uhr entnommene Blutprobe enthielt eine Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration von 1,59 Promille.

Beschuldigter hält Blutun­ter­suchung für unverwertbar

Der Beschuldigte meint, der für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis erforderliche dringende Tatverdacht des Führens eines Fahrzeugs, obwohl er aufgrund des vorangegangenen Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen, bestehe nicht, weil das Ergebnis der Blutuntersuchung unverwertbar sei.

LG Itzehoe: Blutpro­ben­un­ter­suchung trotz Verstoß gegen Richter­vor­behalt verwertbar

Nach Auffassung des Gerichts ist das Ergebnis der Blutpro­ben­un­ter­suchung trotz Verstoßes gegen den Richter­vor­behalt verwertbar, weil zwischen dem Verstoß gegen den Richter­vor­behalt für die Blutpro­ben­entnahme und dem Verwer­tungs­verbot für das Ergebnis derselben zu differenzieren ist.

Bei Gefahr im Verzug dürfen auch Staatsanwalt oder Polizei Blutprobe anordnen

Vorliegend sei zwar ein Verstoß gegen den in § 81 a Straf­pro­zess­ordnung (StPO) normierten Richter­vor­behalt gegeben. Nach dieser Vorschrift darf grundsätzlich nur der Richter die Entnahme einer Blutprobe anordnen. Lediglich bei Gefahr im Verzug, d.h. wenn kein Richter erreichbar ist oder die Gefahr besteht, dass eine infolge des Abwartens der richterlichen Entscheidung später entnommene Blutprobe als Beweismittel nicht mehr geeignet ist, darf die Staats­an­walt­schaft – und nachrangig die Polizei als deren Ermitt­lungs­beamte – eine Blutprobe anordnen. Ähnlich wie in dem vom Oberlan­des­gericht entschiedenen Fall hatte der Polizeibeamte hier weder versucht, den zuständigen Richter fernmündlich zu erreichen, noch die die Dringlichkeit begründenden Tatsachen in der Akte dokumentiert, so dass sich nicht feststellen ließ, ob mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung überhaupt eine Verzögerung verbunden gewesen wäre.

Entnahme der Blutprobe stellt nur geringen Eingriff in Grundrechte dar

Allerdings darf das Ergebnis dieser Blutun­ter­suchung dennoch verwertet werden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts bedeutet ein Beweis­ver­wer­tungs­verbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist. Maßgeblich beeinflusst wird das Ergebnis der vorzunehmenden Abwägung vom Gewicht des in Frage stehenden Verfah­rens­ver­stoßes, das seinerseits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt wird. Vorliegend rechtfertigen die Umstände des Verstoßes gegen den Richter­vor­behalt nicht die Annahme eines Verwer­tungs­verbotes. Denn einerseits steht das hochrangige Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs in Rede und andererseits wird durch die Entnahme der Blutprobe nur mit relativ geringer Intensität in das Grundrecht des Beschuldigten aus Art. 2 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz eingegriffen. Außerdem ist nach der Regelung des § 81 a Absatz 2 StPO die Eilanordnung der Polizei nicht schlechthin verboten, sondern gesetzlich vorgesehen. Schließlich lagen angesichts der Feststellungen der Polizei und des Ergebnisses des Atema­l­ko­holtests mit 1,3 Promille die Voraussetzungen einer Blutentnahme zweifelsfrei vor, so dass diese auch vom Richter angeordnet worden wäre.

Bewusste oder willkürliche Verkennung des Richter­vor­behalts nicht ersichtlich

Zwar kann ein gewonnenes Beweismittel auch dann unverwertbar sein, wenn eine schwerwiegende Rechts­ver­letzung vorliegt, die durch das besondere Gewicht der Verlet­zungs­handlung bei grober Verkennung der Rechtslage geprägt ist, nämlich bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug oder bei Vorliegen eines besonders schweren Fehlers. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Insbesondere ist nicht von einer bewussten oder willkürlichen Verkennung des Richter­vor­behalts durch den die Entnahme der Blutprobe anordnenden Polizeibeamten oder von einem vergleichbar schwerwiegenden Fehler auszugehen. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot ist anzunehmen, wenn die der angegriffenen Entscheidung zu Grunde liegende Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht. Gemessen an diesem Maßstab ist im vorliegenden Fall nicht von einer willkürlichen Umgehung des Richter­vor­behalts auszugehen. Angesichts der geringfügig über der Grenze der absoluten Fahrun­tüch­tigkeit liegenden Atema­l­ko­hol­kon­zen­tration und des bestehenden Rückrech­nungs­verbots war unter Berück­sich­tigung der Messun­ge­nau­ig­keiten bei dem Atemalkoholtest bei jeder auch noch so geringen zeitlichen Verzögerung ein Beweis­mit­tel­verlust zu befürchten. Die Eilkompetenz des Polizeibeamten gemäß § 81 a Absatz 2 StPO kann nur deshalb nicht bejaht werden, weil nicht geklärt wurde, ob innerhalb des Zeitraums von etwas weniger als einer halben Stunde, der zwischen dem Atemalkoholtest und der Entnahme der Blutprobe verstrichen ist, eventuell eine richterliche Entscheidung hätte ergehen können. Die Klärung dieser Frage wäre zwar bei richtigem Verständnis der Voraussetzungen einer Gefährdung des Unter­su­chungs­erfolgs im Sinne des § 81 a Absatz 2 StPO notwendig gewesen, drängte sich aber andererseits nicht derart auf, dass das Unterlassen dieser Klärung die Annahme der Eilkompetenz des Polizeibeamten als unter jedem denkbaren Gesichtspunkt unvertretbar und die Maßnahme insgesamt als eindeutig unangemessen erscheinen ließe. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der hier in Rede stehende Zeitraum von weniger als einer halben Stunde selbst für das Einholen einer fernmündlichen richterlichen Entscheidung, die an einem Sonntag gegen 19.00 Uhr nur über den Bereit­schafts­dienst zu erreichen gewesen wäre, neben den weiteren zu ergreifenden Maßnahmen (Verbringung des Beschuldigten zur Dienststelle, Verständigung des Arztes) knapp bemessen ist und der Beamte auch die Zeit bis zum Eintreffen des Arztes nicht im Vorwege genau einschätzen kann.

Landgericht beruft sich auf Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts

Insgesamt dürfen bei der Prüfung eines Verwer­tungs­verbotes wegen eines Verstoßes gegen den in § 81 a Absatz 2 StPO normierten Richter­vor­behalt auch unter dem Aspekt der Willkür die strengen Voraussetzungen für den Ausnahmefall des Verwer­tungs­verbots nicht aus dem Blick geraten. Aus der Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 2. Juli 2009 (2 BvR 2225/08) geht hervor, dass selbst die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schweren Fehlers nicht in jedem Fall ein Verwer­tungs­verbot nach sich ziehen müssen. Berücksichtigt man, dass es sich bei § 81 a Absatz 2 StPO um einen einfach­ge­setz­lichen Richter­vor­behalt handelt, wird man nach Auffassung der Kammer in den Fällen des Verdachts einer Trunkenheit im Verkehr, in denen die Voraussetzungen für die Anordnung der Blutprobe als solche eindeutig und zweifelsfrei vorlagen, nur bei einem bewussten oder bei einem sich dem verständigen Betrachter aufdrängenden, objektiv völlig unver­ständ­lichen Verstoß gegen den Richter­vor­behalt einen Eingriff fern jeder Rechtsgrundlage annehmen können, infolgedessen jede andere Lösung als die Annahme eines Verwer­tungs­verbots unerträglich wäre.

Quelle: ra-online, LG Itzehoe

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