21.11.2024
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Landgericht Hagen Urteil09.02.2017

Smart­pho­ne­be­sitzer steht bei Nutzungsausfall wegen Defekt keine Ausfall­entschädigung zuNutzungsausfall des mobilen Internets auf dem Smartphone führt nicht zu signifikanter Einschränkung in eigen­wirtschaft­licher Lebensführung

Das Landgericht Hagen hat entschieden, dass dem Inhaber eines Smartphones im Falle des Nutzungs­aus­falles auf Grund eines Defekts des Geräts kein Anspruch auf eine Nutzungs­ausfall­entschädigung zusteht.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens hatte bei dem beklagten Inhaber eines Handy-Shops in Ennepetal im Mai 2014 ein neues Smartphone der Marke Sony, Typ Xperia Z2 zu einem Kaufpreis von 79 Euro erworben. Die Klägerin hatte zudem einen durch den Beklagten vermittelten Mobil­funk­vertrag abgeschlossen.

Beklagter verneint Vorliegen eines Garantiefalls

Im September 2014 fiel die Touch-Funktion des Smartphones aus, sodass die Klägerin den Beklagten in dessen Geschäft aufsuchte und um Reparatur bat. Nachdem die Klägerin in der Zwischenzeit mehrfach den Verbleib ihres Gerätes erfragt hatte, holte sie es Ende Oktober 2014 in unrepariertem Zustand ab, wobei der Beklagte jegliche Repara­tur­leistung mit der Begründung verweigerte, der Schaden an dem Mobiltelefon sei auf grobe Behandlung zurückzuführen, so dass kein Garantiefall vorliege.

Neben dem hieraus entstandenen Streit zwischen den Beteiligten, ob der Beklagte zur Reparatur oder zur Lieferung eines neuen Geräts verpflichtet war, vertraten die Beteiligten zudem unter­schiedliche Auffassungen zu der Frage, ob der Beklagte zum Ersatz eines Nutzungs­aus­fa­ll­s­chadens verpflichtet ist. Denn ein der Klägerin zur Verfügung stehendes altes, gebrauchtes Gerät eignete sich wohl lediglich noch zum Telefonieren.

Klägerin verlangt Ersatz des Nutzungs­aus­fa­ll­s­chadens

Die Klägerin vertrat daher in erster Instanz bei dem Amtsgericht Schwelm die Auffassung, dass ihr der Ersatz eines Nutzungs­aus­fa­ll­s­chadens in Höhe von einem Euro täglich zustehe. Im Verlauf des Rechtsstreits in erster Instanz behauptete die Klägerin, am 29. März 2016 ein adäquates Mobiltelefon angeschafft zu haben. Daher konkretisierte sie ihren Antrag dahingehend, dass der Beklagte zur Zahlung von 568 Euro verurteilt werden möge.

AG verneint Anspruch auf Nutzungs­aus­fa­l­l­ent­schä­digung

Das Amtsgericht Schwelm gab der Klage im Hinblick auf die begehrte Neulieferung eines Mobiltelefons statt, wies sie aber hinsichtlich des Nutzungs­ausfalls ab. Zur Begründung führte das Gericht insbesondere aus, dass der Klägerin keine Nutzungsausfallentschädigung zustehe, da ihr ein Ersatzgerät zur Verfügung gestanden habe, wodurch ihre stete telefonische Erreichbarkeit gewährleistet gewesen sei. Zudem habe die Klägerin auf die Anmietung eines Ersatzgerätes verzichtet und auf ihren Festnetz­an­schluss zurückgreifen können. Eine fühlbare Beein­träch­tigung der Klägerin sei nicht erkennbar, weil eine empfundene Unver­zicht­barkeit allein nicht dazu führe, dass ein eigen­wirt­schaft­licher, erfassbarer Einsatz des Mobiltelefons gegeben sei.

Die Klägerin legte gegen das Urteil Berufung ein und hielt weiterhin an ihrem Anspruch auf Nutzungs­aus­fa­l­l­ent­schä­digung fest.

Auch Landgericht verneint Anspruch auf Nutzungs­aus­fa­l­l­ent­schä­digung

Das Landgericht Hagen wies die Berufung der Klägerin zurück und bestätigte damit die Entscheidung des Amtsgerichts Schwelm im Ergebnis. Danach steht der Klägerin keine Nutzungs­aus­fa­l­l­ent­schä­digung für ihr defektes Smartphone zu. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass die Erstreckung des Schaden­s­er­satz­an­spruchs auf einen Nutzungs­aus­fa­ll­s­chaden nach der gesicherten Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs lediglich unter sehr hohen Anforderungen an die mit dem Nutzungsausfall einhergehende Beein­träch­tigung in der Lebensführung erfolgen könne. Dabei sei grundsätzlich darauf abzustellen, ob mit dem Nutzungsausfall typischerweise eine Beein­träch­tigung verbunden sei, die sich auf die eigen­wirt­schaftliche Lebensführung erstrecke.

Fall des Nutzungs­ausfalls eines Smartphones in höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung bislang noch nicht entschieden

Letztlich lasse sich der Streit auf die Frage zurückführen, ob sich der Ausfall der Nutzungs­mög­lichkeit des mobilen Internets in Folge des Ausfalls des hierzu erforderlichen Endgerätes typischerweise als solcher auf die materielle Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirke. Dieser konkrete Fall des Ausfalls der Nutzung eines Smartphones sei in der oberge­richt­lichen und höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung – soweit ersichtlich – bislang nicht entschieden worden. Der Ausfall des Internetzugangs könne nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs zu einem erstat­tungs­fähigen Vermö­gens­schaden führen (vgl. Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 24.01.2013 - III ZR 98/12 -). In dieser Entscheidung werde zudem ausgeführt, dass der Bundes­ge­richtshof den Ersatz für den Ausfall der Nutzung von Wohnmobilen, Motor­sport­booten, Wohnwagen, privaten Schwimmbädern und Pelzmänteln verneint, den Ersatz für den Ausfall der Nutzung von Kraftfahrzeugen, Wohnhäusern und Ferienwohnungen hingegen zugesprochen habe. In der Rechtsprechung der Instanzgerichte sei darüber hinaus ein Nutzungs­aus­fa­l­lersatz für Küchen­ein­rich­tungen, Fahrräder sowie Fernsehgeräte zuerkannt und für einen PC und einen Laptop für möglich gehalten worden.

Infor­ma­ti­o­ns­be­dürfnis kann auch durch Nutzung eines anderen Inter­ne­t­an­schlusses oder alternativer Infor­ma­ti­o­ns­quellen gestillt werden

Der Ausfall der Nutzung des mobilen Internets mittels eines Smartphones wirke sich jedoch derzeit nicht typischerweise auf die materielle Grundlage der Lebenshaltung signifikant aus. Hier komme es allein auf den Umstand an, ob die mobile, also jederzeit und überall mögliche Nutzung des Internet so verbreitet sei, dass sie als eine die Lebens­ge­staltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägende Möglichkeit zu gelten habe, deren Ausfall Auswirkungen auf die materielle Lebenshaltung habe. Auch vor dem Hintergrund der Allge­gen­wär­tigkeit von Smartphones und des nicht zu bestreitenden Umstandes, dass ein großer Teil der Bevölkerung die Nutzung des mobilen Internets zum Standard seiner Lebenshaltung gemacht habe, dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass im Falle des Ausfalls der Nutzbarkeit des mobilen Internets sämtliche anderweitigen Möglichkeiten zur Befriedigung der damit erfüllten Bedürfnisse bestehen blieben, insbesondere die Nutzbarkeit eines Inter­ne­t­an­schlusses oder die Nutzung anderer Infor­ma­ti­o­ns­quellen. Es sei jedenfalls nicht erkennbar, dass die Kommunikation, die Infor­ma­ti­o­ns­be­schaffung, die Möglichkeit des Zugriffs auf einen serverbasierten Kalender oder die Durchführung von Bankgeschäften unter Nutzung des mobilen Internets für den Großteil der Bevölkerung einen derart entscheidenden Umfang angenommen hätte, dass er typischerweise zur alltäglichen Lebenshaltung gehörte und der Ausfall zu einer Einschränkung in der eigen­wirt­schaft­lichen Lebensführung führte.

Quelle: Landgericht Hagen/ra-online

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