18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen ein Formular für die Steuererklärung.

Dokument-Nr. 30879

Drucken
ergänzende Informationen

Landgericht Frankfurt am Main Urteil29.09.2021

„Bad Bank“ der WestLB haftet für Steuerschulden aus Cum-Ex-GeschäftenÜbernahme der streitigen steuerlichen Risiko­po­si­tionen sei gewollt gewesen

Das Landgericht Frankfurt am Main hat einer Klage der Nachfolgerin der WestLB gegen die Abwick­lungs­anstalt dieser Bank auf Übernahme von Steuerschulden von rund einer Milliarde Euro aus sog. Cum-Ex-Geschäften stattgegeben.

Beide Parteien sind aus der WestLB hervorgegangen, nachdem diese infolge der Finanzkrise 2007 und 2008 in Schieflage geriet und ab dem Jahr 2012 abgewickelt wurde. Die Klägerin ist die verbliebene Restge­sell­schaft. Sie ist in alleiniger Hand des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Beklagte ist eine Abwick­lungs­anstalt innerhalb der Bundesanstalt für Finanz­ma­rkt­sta­bi­li­sierung, die dem Bundes­fi­nanz­mi­nis­terium unterstellt ist („sog. Bad Bank“). An ihr sind die vormaligen Aktionäre der WestLB, unter anderem das Land Nordrhein-Westfalen, der Sparkas­sen­verband Westfalen-Lippe und der Rheinische Sparkassen- und Giroverband, beteiligt. Zunächst sollte die beklagte Abwick­lungs­anstalt ausgewählte toxische Portfolioteile der WestLB übernehmen und später im Rahmen der Abwicklung der Bank weitere Risiko­po­si­tionen sowie nicht­stra­te­gienot-wendige Unter­neh­mens­be­reiche, unter anderem das Kapital­ma­rkt­ge­schäft.

Finanzamt fordert Rückerstattung erstatteter Kapita­l­er­trags­steuer nebst Solida­ri­täts­zu­schlag und Zinsen

Im Jahr 2016 wurden Ermitt­lungs­ver­fahren gegen ehemalige Vorstände der WestLB wegen Aktien­ge­schäften um den jeweiligen Dividen­den­stichtag eingeleitet (sog. Cum-Ex-Geschäfte). Ziel war die Klärung, ob in den Veran­la­gungs­zeit­räumen 2005 bis 2011 Kapitalertragssteuer auf Dividen­den­zah­lungen zu Unrecht auf eine Körper­schafts­steu­er­schuld der WestLB angerechnet worden war. Mit mehreren Bescheiden aus 2019 und 2020 forderte das Finanzamt von der Klägerin die Rückerstattung erstatteter Kapita­l­er­trags­steuer nebst Solida­ri­täts­zu­schlag und Zinsen für die Jahre 2005 bis 2008 in Höhe von rund einer Milliarde Euro. Eine Nachberechnung der Kapita­l­er­trags­steuer für die Jahre 2009 bis 2011 wird noch geprüft.

LG: Abwick­lungs­anstalt muss für Steuerschulden einstehen

Das Landgerichts Frankfurt am Main hat entschieden, dass die beklagte Abwick­lungs­anstalt für diese Steuerschulden einzustehen habe. „Zwar wurden die betreffenden Steuer­ver­bind­lich­keiten im Rahmen der Abwicklung der WestLB nicht ausdrücklich der Beklagten zugewiesen“, so die Richterinnen der Kammer. „Eine Auslegung der Vertragswerke und der Erklärungen der Parteien ergibt aber, dass die Übernahme der streitigen steuerlichen Risiko­po­si­tionen durch die Beklagte gewollt war“, erläuterte die Vorsitzende in der Urteils­be­gründung. Und weiter: „Obwohl den Beteiligten bewusst war, dass es bekannte und unbekannte Steuer­ver­bind­lich­keiten gab, haben sie eine Bewertung und Regelung aller steuerlichen Risiken nicht vorgenommen. Die Beklagte sollte aber nach der ausdrücklichen allgemeinen Regelung im Vertragswerk Risiko­po­si­tionen dann übernehmen, wenn sie einem nicht­stra­te­gie­n­ot­wendigen Unter­neh­mens­bereich zuzuordnen waren.“ Das Kapital­ma­rkt­ge­schäft sei nicht strate­gie­n­ot­wendig für die WestLB gewesen und die Cum-Ex-Geschäfte als Grundlage der Steuer­for­de­rungen seien unzweifelhaft dem Kapital­ma­rkt­ge­schäft anzusiedeln.

Fehlende Aufklärung führt zu keiner anderen Bewertung

Die beklagte Abwick­lungs­anstalt könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Klägerin im Jahr 2012 bei der Zerschlagung der WestLB nicht über die Cum-Ex-Geschäfte der Vergangenheit aufgeklärt habe. Denn auch wenn die Klägerin ihre Aufklä­rungs­pflichten verletzt habe, sei ein Schaden der Beklagten nicht feststellbar. „Da die Zerschlagung der WestLB alternativlos war, wären die steuerlichen Risiken aller Voraussicht nach auch dann auf die Beklagte übertragen worden, wenn über die Cum-Ex-Geschäfte gesprochen worden wäre“, so die Vorsitzende der Kammer. „Außerdem waren die Ermittlungen der Staats­an­walt­schaft seinerzeit noch nicht bekannt und die seit Jahren von verschiedenen Akteuren praktizierten Cum-Ex-Geschäfte wurden steuer- und strafrechtlich überwiegend nicht kritisch gesehen. Deswegen ist auch nicht davon auszugehen, dass die Beklagte einen größeren Eigen­ka­pi­talstock erhalten hätte, wenn die Cum-Ex-Geschäfte offengelegt worden wären“, erklärte die Vorsitzende. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle: Landgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil30879

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI