Landgericht Frankfurt am Main Urteil11.04.2019
Bei Streit unter Wohnungseigentümern über Unterlassen von Rauchen muss kein Streitschlichtungsverfahren vor Klageerhebung durchgeführt werdenKlageerhebung gegen Mieter eines Wohnungseigentümers setzt vorheriges Streitschlichtungsverfahren voraus
Verlangt ein Wohnungseigentümer von dem Eigentümer der benachbarten Wohnung Maßnahmen zu ergreifen, um das Rauchen seines Mieters zu beschränken, so muss vor Klageerhebung kein Streitschlichtungsverfahren gemäß § 15 a EGZPO in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1a des Hessischen Schlichtungsgesetzes (HSchlichtG) durchgeführt werden. Die Unterlassungsklage gegen den Mieter setzt aber ein vorheriges Schlichtungsverfahren voraus. Dies hat das Landgericht Frankfurt a.M. entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall beschwerte sich die Eigentümerin einer Eigentumswohnung über das ihrer Meinung nach übermäßige Rauchen ihrer Nachbarin auf dem Balkon. Die Nachbarin war Mieterin der Wohnung. Die Wohnungseigentümerin erhob schließlich gegen die Eigentümer der Nachbarwohnung und der Mieterin Klage, um das Rauchen der Mieterin zu beschränken.
Amtsgericht wies Klage ab
Das Amtsgericht Michelstadt wies die Klage als unzulässig ab. Zwar könne in entsprechender Anwendung des § 906 BGB ein Anspruch der Klägerin bestehen. Jedoch sei vor Klageerhebung in entsprechender Anwendung des § 15 a EGZPO in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1a HSchlichtG ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. Dem war die Klägerin aber nicht nachgekommen. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein.
Landgericht bejaht Zulässigkeit der Klage gegen Wohnungseigentümer
Das Landgericht Frankfurt a.M. entschied zum Teil zu Gunsten der Klägerin. Jedenfalls sei die Klage gegen die Wohnungseigentümer zulässig. Denn ein vorheriges Schlichtungsverfahren habe nicht durchgeführt werden müssen. Die vom Amtsgericht vorgenommene doppelte Analogie, einmal des § 906 BGB und zum anderen des § 15 a EGZPO, sei eine nicht zur rechtfertigende Begrenzung des Zugangs zu den Gerichten. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, durch mehrfache Analogien den Justizgewährungsanspruch des einzelnen aus Art. 20 Abs. 3 GG zu beschränken.
Kein Schlichtungsverfahren bei Streit unter Wohnungseigentümern
Zudem richte sich das Streitschlichtungsverfahren vordergründig auf Streitigkeiten zwischen benachbarten Grundstückseigentümern, so das Landgericht. Diese Situation sei nicht vergleichbar mit der von Streitigkeiten zwischen benachbarten Wohnungseigentümern. Das Verhältnis der Wohnungseigentümer zueinander zeichne sich durch eine besondere rechtliche Verbundenheit aus, die mit dem Verhältnis benachbarter Grundstückseigentümer zueinander nicht ansatzweise vergleichbar sei. Sie seien durch ein umfassendes rechtliches System miteinander verbunden. Daher sei in der Regel nicht nur die Rechtspositionen der streitenden Sondereigentümer betroffen, sondern auch das Gemeinschaftseigentum. Die streitenden Sondereigentümer können daher nicht untereinander abschließend den Konflikt lösen, da sie nicht vollumfänglich über sämtliche betroffene Rechtspositionen verfügen dürfen. Außerdem bestehe durch das Mittel der Eigentümerversammlung bereits ein Instrumentarium zur Lösung von Konflikten.
Klage gegen Mieter setzt Schlichtungsverfahren voraus
Die Klage gegen die Mieter sei nach Ansicht des Landgerichts dagegen unzulässig, da in diesem Fall ein vorheriges Schlichtungsverfahren durchzuführen sei. Eine mit einem Streit unter benachbarten Grundstückseigentümern vergleichbare Interessenlage sei hier gegeben.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.10.2019
Quelle: Landgericht Frankfurt a.M., ra-online (vt/rb)