18.10.2024
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Landgericht Frankfurt am Main Urteil06.07.2023

LG zu abfälligen Äußerungen über trans PersonenNicht jede abwertende Äußerung gegenüber trans Personen ist per se unzulässig

Drei Transfrauen waren jeweils gegen verschiedene Äußerungen auf sozialen Netzwerken oder in journa­lis­tischen Beiträgen vorgegangen. Das Gericht stellte klar: Eine Persönlichkeits­rechts­verletzung liegt vor, wenn nach umfassender Würdigung unter Berück­sich­tigung des Gesamtkontextes der Äußerung der Eingriff in das Persönlichkeits­recht der Transfrau gegenüber dem Recht auf Meinung­s­äu­ßerung der Presse oder des Netzwerknutzers überwiegt. In seinen Entscheidungen hat die Pressekammer eine Verletzung des Persönlichkeits­rechts teilweise verneint und teilweise bejaht.

In dem ersten Verfahren (Az. 2-03 O 228/23) hatte die Antragstellerin, Transfrau und Aktivistin für trans Rechte, auf Twitter um Unterstützung für das sog. Selbst­be­stim­mungs­gesetz geworben. Dazu veröffentlichte die Antragsgegnerin einen Kommentar mit dem Zusatz: „#DubistEinMann“. Der Eilantrag der Antragstellerin gegen diesen Kommentar wurde zurückgewiesen.

„#DubistEinMann“ ist zulässige Meinung­s­äu­ßerung

Die Pressekammer erkannte darin eine Meinung­s­äu­ßerung, weil der wertende Charakter im Vordergrund stehe. Eine ablehnende, polarisierende Haltung zum Einsatz für das Selbst­be­stim­mungs­gesetz und zur Trans­ge­schlecht­lichkeit im Allgemeinen werde daraus deutlich. „#DubistEinMann“ beinhalte aber weder eine Schmähkritik noch eine Beleidigung. Bei der Abwägung der Meinungs­freiheit der Nutzerin gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin sei zu berücksichtigen, dass der Kommentar im Kontext der gesell­schaft­lichen Ausein­an­der­setzung über den Entwurf für ein sog. Selbst­be­stim­mungs­ge­setzes erfolgt sei. Das Hashtag-Zeichen verdeutliche das, denn es werde auf Twitter verwendet, um unter einem Schlagwort Diskussionen zu eröffnen. „#DubistEinMann“ sei auch bereits zuvor auf Twitter genutzt worden. Obwohl das Wort „du“ die betroffenen transsexuellen Personen in besonders heraus­for­dernder Form personalisiere, beziehe es sich hier nicht auf eine bestimmte, individuelle Person. Die Verwendung dieses Hashtags sei eine zulässige Meinung­s­äu­ßerung im Rahmen der öffentlichen Diskussion.

Bezeichnung als "Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein" unzulässig

Die transsexuelle Antragstellerin zweiten Verfahren (Az. 2-03 O 204/23) trägt im Perso­nen­stands­re­gister den Eintrag „weiblich“ und lebt seit 40 Jahren als Frau. Sie war gerichtlich gegen eine Äußerung des Antragsgegners vorgegangen, hatte jedoch später auf etwaige Unter­las­sungs­ansprüche verzichtet. Daraufhin veröffentlichte dieser auf seinem Blog einen Artikel mit der Überschrift „Versuchte Abmahnung gegen Ansage: Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein. Dem Eilantrag auf Unterlassung dieser Äußerung hatte die Pressekammer im April 2023 entsprochen. Ein dagegen gerichteter Widerspruch des Antragsgegners blieb ohne Erfolg. Das Gericht erklärte: Eine Verletzung des Persön­lich­keits­rechts der Antragstellerin liege vor, wenngleich auch hier die Grenze der Schmähkritik noch nicht überschritten worden sei. Der Begriff „Transe“ sei umgangs­sprachlich abwertend und kein bloßes – vermeintlich neutrales – Kurzwort für eine transsexuelle Person. Die herabwürdigende Intention der Äußerung werde durch das Attribut „totalitär tickend“ verstärkt. Die Aussa­ge­kom­ponente „zieht den Schwanz ein“ stelle außerdem unmiss­ver­ständlich eine Assoziation zum männlichen Geschlechtsteil her und richte den Fokus auf die Frage seines (Nicht-)Vorhandenseins bei der Klägerin. Diese Hervorhebung habe keinen Sachbezug zu der vorangegangenen rechtlichen Ausein­an­der­setzung zwischen den Parteien. Bei einer Gesamtwürdigung sei die Äußerung unzulässig.

Bezeichnung einer Transfrau als "über 60-jähriger Mann“ ebenfalls unzulässig

Im dritten Verfahren und der Transfrau des zuvor genannten Rechtstreits (2-03 O 204/23) besteht Perso­ne­n­i­dentität. Es ist bekannt, dass sie seit 40 Jahren als Frau lebt, ausschließlich einen weiblichen Vornamen nutzt, sich als Frau identifiziert und als solche angesprochen werden möchte. Auf dem Onlineportal der Antrags­geg­nerseite wurde im Februar 2023 ein Artikel veröffentlicht, in dem kritisiert wurde, dass eine gemeinnützige Stiftung die Antragstellerin in einem Rechtsstreit gegen eine junge Biologin finanziell unterstützt hatte. Diese hatte geäußert, es gebe biologisch (nur) zwei Geschlechter. In dem Artikel wurde die Antragstellerin zunächst als „Transfrau“ bezeichnet, später als „biologischer Mann“ und schlussendlich als „über 60-jähriger Mann, der (…) maßgeblich an dem Frauenhass beteiligt ist“, dem die Biologin seit Monaten ausgesetzt sei. Einem Eilantrag der Antragstellerin, sie nicht wie in diesem Artikel geschehen als „Mann“ zu bezeichnen, hatte die Pressekammer im März 2023 stattgegeben. Diese Entscheidung hat das Gericht heute bestätigt. Die Pressekammer stellte klar: Im Rahmen der freien Rede sei eine scharfe, aggressive Sprache prinzipiell erlaubt. Auch sei sowohl eine Kritik an der Antragstellerin als auch an der finanziellen Unterstützung durch die gemeinnützige Stiftung zulässig. Die hier angegriffene Äußerung „über 60-jähriger Mann“ könne im Gesamtkontext aber nicht als bloße neutrale Feststellung des biologischen Geschlechts der Antragstellerin verstanden werden. Die Wortwahl sei vielmehr ein bewusstes Stilmittel, um einen plakativen Kontrast zu der jungen, weiblichen Biologin herzustellen und die klagende Transfrau als frauenhassenden Mann zu beschreiben. Dies obwohl die Antragstellerin seit 40 Jahren erkennbar als Frau lebe. Im Gesamtkontext der getätigten Äußerung sei die Bezeichnung als „Mann“ daher bewusst verunglimpfend und persön­lich­keits­rechts­ver­letzend. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Quelle: Landgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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