21.11.2024
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Dokument-Nr. 23288

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Landgericht Essen Urteil03.12.2015

Behinderten­testament auch bei großem Nachlasswert wirksamKein Verstoß gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB

Ein Behinderten­testament ist selbst dann wirksam, wenn der Nachlasswert sehr groß ist und aus dem Pflichtteil die Versorgung des Behinderten sichergestellt ist. Ein Verstoß gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB liegt in diesem Fall nicht vor. Dies hat das Landgericht Essen entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Sozia­l­hil­fe­träger kam für die Unter­brin­gungs­kosten eines geistig behinderten Menschen auf. Dieser war laut einem Behindertentestament nicht befreiter Vorerbe seiner verstorbenen Mutter. Im Falle der Unwirksamkeit des Testaments war angeordnet, dass der Behinderte seinen Pflichtteil erhalten sollte. Der Sozia­l­hil­fe­träger vertrat die Meinung, dass das Testament sittenwidrig und somit unwirksam sei. Denn die beträchtlichen Pflichtteils- und Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­ansprüche des Behinderten in Höhe von mindestens 934.000 EUR würden ausreichen, um die Kosten seiner Unterbringung bis zu seinem Lebensende abzudecken. Der Sozia­l­hil­fe­träger machte daher gegen den Ehemann und Erbe der Erblasserin gerichtlich die Pflichtteils- und Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­ansprüche des Behinderten geltend.

Kein Anspruch auf Pflichtteil

Das Landgericht Essen entschied gegen den Sozia­l­hil­fe­träger. Diesem haben keine Pflichtteils- und Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­ansprüche gegen den Ehemann der Erblasserin zugestanden. Denn das Behin­der­ten­tes­tament sei wirksam gewesen.

Kein Verstoß gegen die guten Sitten aufgrund Behin­der­ten­tes­taments

Nach Ansicht des Landgerichts habe das Behin­der­ten­tes­tament nicht gegen die guten Sitten verstoßen und sei daher nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam gewesen. Das Gericht verwies zur Begründung auf das Urteil des Bundes­ge­richtshofs vom 20.10.1993 (IV ZR 231/92).

Unerheblichkeit des großen Ausmaßes des Nachlasses

Für unerheblich hielt das Landgericht, dass der Pflichtteil nach Angaben des Sozia­l­hil­fe­trägers "beträchtlich" und daher so groß sei, dass damit die Versorgung des Behinderten sichergestellt wäre. Denn zum einen sei fraglich, ob ein Nachlass von unter einer Million Euro ausreiche, um von einem "beträchtlichen" Vermögen auszugehen. Zum anderen sei es höchst zweifelhaft, die Frage des Ausmaßes der Sicherstellung der Versorgung durch den Pflichtteil zur Abgrenzung der Sittenwidrigkeit von der Wirksamkeit des Behin­der­ten­tes­taments heranzuziehen. Denn es finde sowohl bei großen Vermögen und Nachlässen als auch bei solchen in kleineren Bereichen im Rahmen der Nachlass­re­gelung durch ein Behin­der­ten­tes­tament immer eine Benachteiligung des Sozia­l­hil­fe­trägers statt. Dieses könne als tragbar oder als missbilligend erachtet werden. Dabei handele es sich aber mehr um eine rechts­po­li­tische als um eine gerichtliche Entscheidung.

Quelle: Landgericht Essen, ra-online (vt/rb)

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