23.11.2024
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Sie sehen eine rote Rose, welche in einer Pfütze liegt.

Dokument-Nr. 20590

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Urteil20.10.1993BundesgerichtshofIV ZR 231/92
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHZ 123, 268Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 123, Seite: 268
  • DNotZ 1994, 380Deutsche Notar-Zeitschrift (DNotZ), Jahrgang: 1994, Seite: 380
  • FamRZ 1994, 162Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 1994, Seite: 162
  • JurBüro 1994, 83Zeitschrift: Das juristische Büro (JurBüro), Jahrgang: 1994, Seite: 83
  • JuS 1994, 351Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 1994, Seite: 351
  • MDR 1994, 591Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 1994, Seite: 591
  • NJ 1994, 96Zeitschrift: Neue Justiz (NJ), Jahrgang: 1994, Seite: 96
  • NJW 1994, 248Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1994, Seite: 248
  • NJW-RR 1994, 323Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 1994, Seite: 323
  • WM 1994, 251Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 1994, Seite: 251
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil20.10.1993

BGH: Behinderten­testament nicht wegen Sitten­wid­rigkeit unwirksamFehlender Zugriff des Sozia­l­hil­fe­trägers auf Nachlass begründet keine Sitten­wid­rigkeit

Der durch ein Behinderten­testament bedingte fehlende Zugriff des Sozia­l­hil­fe­trägers auf die Erbschaft des behinderten Kindes begründet nicht die Sitten­wid­rigkeit der letztwilligen Verfügung. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Durch einen Erbvertrag setzte im Februar 1984 die Mutter ihren Sohn zu 72 % als Erben ein. Ihre Tochter wurde zu 28 % als Vorerbin eingesetzt. Nacherbe sollte nach dem Tod der Tochter der Sohn werden. Die Tochter war unheilbar psychisch erkrankt und war deswegen in einem Pflegeheim untergebracht. Sie erhielt Sozialhilfe. Für die Verwaltung des Erbteils der Tochter wurde ein Testa­ments­voll­strecker bestellt. Dieser sollte der Tochter ein monatliches Taschengeld gewähren sowie für weitere Aufwendungen aufkommen. Die Zahlungen sollten jedoch nie so hoch sein, dass darauf die Sozialhilfe angerechnet werden konnte (sogenanntes Behin­der­ten­tes­tament). Nachdem die Erblasserin im Februar 1987 verstarb, klagte der Sozialhilfeträger auf Feststellung der Unwirksamkeit des Erbvertrags. Er hielt die letztwillige Verfügung für sittenwidrig, da ihm der Zugriff auf die Erbschaft der Tochter verwehrt war. Nachdem der Sozia­l­hil­fe­träger vor dem Landgericht teilweise Recht bekam, wies das Oberlan­des­gericht die Klage insgesamt ab. Daraufhin legte der Sozia­l­hil­fe­träger Revision ein.

Bundes­ge­richtshof hielt Behin­der­ten­tes­tament für nicht sittenwidrig und somit für wirksam

Der Bundes­ge­richtshof bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Revision des Sozia­l­hil­fe­trägers zurück. Der Erbvertrag sei nicht sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB und somit wirksam gewesen. Es sei zu beachten gewesen, dass die Regelungen in der letztwilligen Verfügung vom Grundsatz der Testierfreiheit gedeckt waren. Es sei nicht als sittenwidrig zu werten gewesen, dass die Erblasserin durch den Erbvertrag ihrer Tochter auf Dauer sowohl den Genuss von Sozialhilfe als auch zusätzlicher Annehm­lich­keiten und Vorteile durch die Erbschaft erhalten wollte. Ziel der Regelung sei die Verbesserung der Lebens­be­din­gungen der behinderten Tochter gewesen. Dies sei nicht zu beanstanden gewesen.

Fehlender Zugriff des Sozia­l­hil­fe­trägers auf Erbschaft unerheblich

Die Sittenwidrigkeit habe sich nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs auch nicht daraus ergeben, dass dem Sozia­l­hil­fe­träger der Zugriff auf die Erbschaft entzogen wurde. Durch den Erbvertrag sei die Erblasserin ihrer zuvörderst zukommenden sittlichen Verantwortung für das Wohl ihres Kindes nachgekommen. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, diese Verantwortung im Interesse der öffentlichen Hand zurückzustellen. Das Sozia­l­hil­ferecht verbiete weder die getroffenen Regelungen im Erbvertrag noch lasse sich daraus entnehmen, dass dem Sozia­l­hil­fe­träger der Zugriff auf die Erbschaft ermöglicht werden muss.

Verstoß gegen Subsi­dia­ri­täts­grundsatz begründete ebenfalls keine Sitten­wid­rigkeit

Ferner habe sich nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs nicht aus dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe bzw. dem Subsi­dia­ri­täts­grundsatz die Sitten­wid­rigkeit des Erbvertrags ergeben. Denn zum einen werde dieser Grundsatz selbst im Sozia­l­hil­fe­gesetz in erheblichem Maße durchbrochen. Zum anderen müsse ein Erblasser nicht aus Rücksicht der Allgemeinheit dem Sozia­l­hil­fe­träger den Zugriff auf die Erbschaft eines behinderten Kindes ermöglichen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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