Dokument-Nr. 195
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Landgericht Coburg Entscheidung29.09.2004
Zur Frage, wann Eltern ihre Aufsichtspflicht gegenüber minderjährigen Kindern verletzen und deswegen haftenKinder-Rugby
Kindererziehung ist eine Herkulesaufgabe. Ständig ein Spagat zwischen Zügel anziehen und Zügel lockern. Und oft geht etwas schief. Aber auch wenn hierbei der minderjährige Nachwuchs einen Anderen schädigt, müssen die Eltern hierfür nicht stets gerade stehen. Sie haften insbesondere nicht bei unvorhergesehenen, spontanen Taten des Filius.
So entschied jetzt das Landgericht Coburg. Das Gericht wies die Klage eines von einem dreijährigen Kind Verletzten gegen dessen Eltern ab. Mit dem Vorwurf, sie hätten ihre Aufsichtspflicht verletzt, hatte der Kläger von ihnen 5.000 € Schmerzensgeld und die Einstandspflicht für etwaige Spätschäden verlangt.
Sachverhalt
Die Gartenparty am herrlichen Spätsommertag fing vielversprechend an. Die Erwachsenen tranken, aßen und plauderten miteinander; die Kinder tollten auf dem Rasen herum. Dann geschah das Unglück: Unvermittelt traf den späteren Kläger, der nichts ahnend an einem Biertisch saß, die Spitze eines Rugby-Balls aus Gummi ins linke Auge. Als Schütze stellte sich ein etwas über drei Jahre alter Knirps heraus. Das Opfer des misslungenen Schusses zog sich eine schwere Augenverletzung zu. Den Eltern des Dreikäsehochs warf der erzürnte Kläger grobe Versäumnisse im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht vor. Seine Forderung auf Entschädigung lehnten sie aber ab, hätten sie den Unfall doch auch bei größter Aufmerksamkeit nicht verhindern können.
Gerichtsentscheidung
Das Landgericht Coburg - und später das Oberlandesgericht Bamberg - gaben den Eltern Recht. Der Umfang der gebotenen Aufsicht bestimme sich nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes. Entscheidend sei auch, was verständige Eltern in der konkret geschehenen Situation hätten tun müssen, um die Schädigung zu verhindern. Die Anforderungen dürften aber nicht überspannt werden. Der Nachwuchs der beklagten Eltern sei ein normal entwickeltes Kind, ohne überaktiv zu sein. Sie hätten den Dreijährigen daher nicht auf Schritt und Tritt überwachen müssen. Mit dem Ball, der von einem der Partygäste mitgebracht worden sei, hätten nahezu sämtliche Kinder auf dem Fest gespielt. Der zu der Verletzung führende Schuss mit dem Ball sei eine Spontantat des minderjährigen Schützen gewesen. Das Unglück wäre nur zu verhindern gewesen, wenn die Beklagten ihren Sohn ständig im Auge behalten hätten und ihm nicht von der Seite gewichen wären. Die sei den Eltern unter den gegebenen Umständen nicht zumutbar gewesen.
Hinweis zu den Instanzen: Urteil des Landgerichts Coburg vom 29.09.2004, Az: 21 O 395/04; Urteil des Oberlandesgericht Bamberg vom 21.01.2005, Az: 6 U 46/04; rechtskräftig
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 01.03.2005
Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg vom 11.02.2005
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