Dokument-Nr. 22998
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- GE 2016, 860Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft (GE), Jahrgang: 2016, Seite: 860
- Amtsgericht Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Urteil22.10.2015, 8 C 1009/15
Landgericht Berlin Urteil20.04.2016
Ernsthafte konkrete Absicht des Vermieters zum Aufstellen eines Baugerüstes kann Besitzstörung und somit Unterlassungsanspruch begründenKeine Besitzstörung des Mieters aufgrund Baugerüstes am Nachbarhaus
Beabsichtigt ein Vermieter ernsthaft und konkret das Aufstellen eines Baugerüstes, so kann dies für den Mieter eine Besitzstörung im Sinne des § 862 Abs. 1 BGB darstellen und somit ein Unterlassen im Wege des Eilrechtsverfahrens begründen. Dies gilt hingegen dann nicht, wenn das Baugerüst für Modernisierungsarbeiten oder den Neubau von Wohnungen benötigt wird. Eine Besitzstörung ist zudem nicht dadurch gegeben, dass am Nachbarhaus ein Baugerüst steht. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Berlin hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Mieter einer Wohnung erhielt im Februar und September 2015 Schreiben seines Vermieters, in dem umfangreiche Arbeiten am Haus angekündigt wurden. So sollte die komplette Fassade eingerüstet und saniert, das Dachgeschoß zu Wohnungen ausgebaut sowie das Dach gedämmt werden. Der Mieter war damit nicht einverstanden und machte daher im Wege des Eilrechtsverfahrens ein Unterlassungsanspruch geltend. Nachdem die einstweilige Untersagung des Aufstellens eines Baugerüstes jedoch vom Amtsgericht Berlin Tempelhof-Kreuzberg aufgehoben wurde, legte der Mieter Berufung ein.
Kein Unterlassungsanspruch aufgrund Baugerüstes am Nachbarhaus
Das Landgericht Berlin bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und wies daher die Berufung des Mieters zurück. Soweit er einen Unterlassungsanspruch damit begründete, dass durch das Baugerüst am Nachbarhaus eine Besitzstörung vorliege, folgte das Landgericht dem nicht. Selbst wenn zwei benachbarte Häuser eine wirtschaftliche Einheit bilden, stelle ein Gerüst am Nebenhaus keine Besitzstörung für den Mieter des anderen Hauses dar. Denn es komme allein auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Es bedürfe einer tatsächlichen Störung des Gebrauchs und der Nutzungsmöglichkeiten an der Wohnung. Eine solche sei hier nicht ersichtlich gewesen.
Kein Unterlassungsanspruch wegen beabsichtigter Aufstellung eines Baugerüstes
Zwar könne auch die ernstliche Besorgnis, dass durch die angekündigten Maßnahmen künftig eine Besitzstörung zu erwarten sei, einen Unterlassungsanspruch nach § 862 Abs. 1 BGB rechtfertigen, so das Landgericht. Die zu erwartenden Störungen seien aber als unwesentlich und damit als vom Mieter hinnehmbar anzusehen.
Unwesentlichkeit der zu erwartenden Besitzstörungen
Das Landgericht verkannte nicht, dass ein Gerüst vor Wohnräumen die Privatheit stört und ein Öffnen oder Offenlassen der Fenster unter Sicherheitsaspekten Einschränkungen unterliegt. Dennoch wertete es die zu erwartenden Besitzstörungen als unwesentlich. Denn seiner Ansicht nach müsse das Interesse der Allgemeinheit beachtet werden, dass darin liege mit qualitativ gutem Wohnraum zu angemessenen Preisen versorgt zu werden. Dies schließe das Interesse an der Schaffung neuen Wohnraums sowie an der Instandhaltung und laufenden Verbesserung des Wohnungsbestandes ein. Zudem habe nicht außer Betracht bleiben dürfen, dass der Wohnungsbestand angesichts der knappen Ressourcen und des Klimawandels energetisch modernisiert werden müsse. Die genannten Arbeiten können aber ohne Installation eines Gerüstes nicht vorgenommen werden. Es sei eine notwendige, nicht vermeidbare Begleiterscheinung.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 05.08.2016
Quelle: Landgericht Berlin, ra-online (vt/rb)
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