21.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 21418

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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil06.05.2015

Sitzstreik einer Führungskraft zur Durchsetzung einer außer­tarif­vertrag­lichen Vergütung kann ordentliche Kündigung rechtfertigenKündigung wegen schwerwiegender arbeits­vertrag­lichen Pflicht­ver­letzung trotz 22jähriger beanstan­dungs­freier Betriebs­zugehörig­keit wirksam

Blockiert eine Führungskraft das Büro ihres Vorgesetzten für mehrere Stunden und verschickt sie am Folgetag an mehrere Mitarbeiter E-Mails, in denen sie sich unter Auslassung ihres eigenen Verhaltens als Bauernopfer darstellt, um somit eine außer­tarif­vertrag­liche Vergütung durchzusetzen, so verletzt die Führungskraft damit ihre arbeits­vertrag­lichen Pflichten in schwerwiegender Weise. Der Arbeitgeber kann in diesem Fall trotz einer 22jährigen beanstan­dungs­freien Betriebs­zugehörig­keit das Arbeits­ver­hältnis ordentlich kündigen. Dies geht aus einer Entscheidung des Landes­arbeits­gerichts Schleswig-Holstein hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem die Mitarbeiterin eines Zustellers im Januar 2014 als Leiterin des Zustell­stütz­punktes Lübeck ernannt wurde, verlangte sie nachdrücklich eine außer­ta­rif­ver­tragliche Vergütung. Nachdem ihr Vorgesetzter im Mai 2014 dieses Ansinnen letztmalig unmiss­ver­ständlich zurückgewiesen hatte, erklärte sie, dass sie mit sofortiger Wirkung von ihrem Posten zurücktrete.

Sitzstreik zur Durchsetzung der außer­ta­rif­ver­trag­lichen Vergütung

Der Vorgesetzte lud sie daraufhin zu einem Gespräch über die weitere Zusammenarbeit ein. Da die Mitarbeiterin weiter auf ihre Forderung einer höheren Vergütung bestand, beendete der Vorgesetzte das Gespräch. Die Mitarbeiterin weigerte sich jedoch das Büro zu verlassen. In der Folgezeit bot man ihr an, ihren Ehemann oder ein Betrie­bs­rats­mitglied zu verständigen. Beides lehnte sie ab. Sie wurde nochmals darauf hingewiesen, dass sie durch ihren Sitzstreik eine arbeits­ver­tragliche Pflicht sowie das Hausrecht verletze und somit eine Kündigung drohe. Da die Mitarbeiterin weiterhin auf die Erfüllung ihrer Bedingungen pochte, wurde schließlich die Polizei eingeschaltet. Die Beamten konnten die Mitarbeiterin dreieinhalb Stunden nach Beginn des Gesprächs zum Verlassen des Betrie­bs­ge­ländes bewegen.

E-Mail an mehrere Beschäftigte

Am nächsten Tag verschickte die Mitarbeiterin an mehrere Beschäftige des Unternehmens eine E-Mail, in der sie sich ohne Hinweis auf ihr eigenes Verhalten als Bauernopfer bezeichnete und zudem schrieb: "Wer solche Vorgesetzte hat, benötigt keine Feinde mehr".

Kündigung durch Arbeitgeberin

Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos sowie hilfsweise ordentlich. Dagegen erhob die Mitarbeiterin Kündi­gungs­schutzklage.

Arbeitsgericht hielt Kündigung für unwirksam

Das Arbeitsgericht Lübeck gab der Kündi­gungs­schutzklage statt. Seiner Auffassung nach seien sowohl die fristlose als auch ordentliche Kündigung unwirksam gewesen. Dagegen richtete sich die Berufung der Arbeitgeberin.

Landes­a­r­beits­gericht verneint ebenfalls Wirksamkeit der fristlosen Kündigung

Das Landes­a­r­beits­gericht hielt die fristlose Kündigung ebenfalls für unwirksam. Zwar habe die Mitarbeiterin durch ihr Verhalten ihre arbeits­ver­trag­lichen Pflichten erheblich verletzt. So habe sie zur Durchsetzung ihrer Forderung das Hausrecht der Arbeitgeberin rund dreieinhalb Stunden verletzt. Kein Arbeitgeber müsse ein solches Verhalten hinnehmen. Zudem haben ihre E-Mails am Folgetag den Betriebsfrieden nachhaltig gestört. Trotz dieses irrationalen und nicht nachvoll­ziehbaren Verhaltens sei eine fristlose Kündigung unver­hält­nismäßig gewesen. Es sei zu beachten gewesen, dass die Mitarbeiterin in den 22 Jahren ihrer Betrie­bs­zu­ge­hö­rigkeit bis zu diesem Vorfall stets beanstan­dungsfrei gearbeitet habe. Insofern sei es der Arbeitgeberin zuzumuten gewesen, das Arbeits­ver­hältnis jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen.

Recht zur ordentlichen Kündigung bestand

Nach Ansicht des Landes­a­r­beits­ge­richts haben der Sitzstreik und die E-Mails der Mitarbeiterin eine ordentliche verhal­tens­be­dingte Kündigung gerechtfertigt. Eine Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen. Zwar habe die Mitarbeiterin eine lange Zeit ohne Beanstandung gearbeitet. Die Pflicht­ver­letzung sei jedoch als so schwerwiegend anzusehen gewesen, dass das Kündi­gungs­in­teresse der Arbeitgeberin überwogen habe. Die Mitarbeiterin habe versucht eine Vergütung durchzusetzen, auf der sie keinen Anspruch hatte. Selbst bei Bestehen des Anspruchs habe sie nicht derartige Mittel einsetzen dürfen. Trotz der Deeska­la­ti­o­ns­versuche der Arbeitgeberin habe die Mitarbeiterin die Situation weiter eskalieren lassen. Ihr Verhalten sei für eine Führungskraft mit Vorbildfunktion untragbar gewesen. Durch das hartnäckige Verhalten der Mitarbeiterin sei das Vertrau­ens­ver­hältnis nachhaltig und unwie­der­bringlich zerstört worden.

Quelle: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, ra-online (vt/rb)

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