Der Entscheidung lag der Fall eines angestellten Lkw-Fahrers zugrunde. Dieser hatte nach Überschreitung der zulässigen Lkw-Lenkzeit von seinem Arbeitgeber den Auftrag bekommen, eine weitere Fuhre zu übernehmen. Dies lehnte er in aus Sicht des Arbeitgebers unangemessenem Tonfall ab. Er sagte, er fahre garantiert nicht mehr. Nach einem sich anschließenden Wortwechsel sagte er: "Ich mache die ganze Scheiße nicht mehr mit, ich gehe jetzt zum Arzt und lasse mich krankschreiben. Vor drei Wochen habe ich mir bei der Arbeit den Fuß verletzt." Daraufhin legte er den Lkw-Schlüssel auf den Tisch ging nach Hause. Gegen die folgende fristlose Kündigung wehrte sich der Fahrer gerichtlich. Vor dem Arbeitsgericht sowie dem Landesarbeitsgericht Mainz bekam er in der 1. und 2. Instanz Recht.
Das Landesarbeitsgericht begründete das Berufungsurteil damit, dass der Arbeitgeber die fristlose Kündigung nicht darauf stützen könne, dass der Fahrer im Verlauf der verbalen Auseinandersetzung Fäkalworte benutzt habe. Die Benutzung des Wortes "Scheiße" habe nach den tatsächlichen Umständen nicht als persönlich diffamierende Schmähung aufgefasst werden können. Es handele sich erkennbar nicht um eine Herabwürdigung des Arbeitgebers bzw. seiner Mitarbeiter, sondern um eine - ausfällige - Kritik an den Arbeitsbedingungen.
Die fristlose Kündigung sei auch nicht wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung gerechtfertigt. Denn der Fahrer habe die Arbeit keineswegs rechtswidrig verweigert, wenn er das angeordnete Fahrtziel nur unter Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit hätte erreichen können. Maßgeblich seien die komplexen Arbeitszeitvorschriften für Kraftfahrer im Straßengüterverkehr über Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten. Diese liegen bei täglich höchstens 9 Stunden. Der Arbeitgeber habe nicht mittels Fahrtenbuch nachweisen können, dass die zulässige Höchstzeit unterschritten worden wäre.
Auch scheide als Kündigungsgrund aus, dass der Fahrer eine Erkrankung nur vorgeschoben habe, um die Fahrt nicht mehr durchführen zu müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei es zwar so, dass die Androhung, sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu verschaffen, um dem Arbeitgeber durch diese Androhung eine bestimmte gewünschte Vergünstigung abzupressen, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstelle. Erkläre der Arbeitnehmer, er werde krank, wenn der Arbeitgeber einem bestimmten Begehren nicht nachgebe, obwohl er im Zeitpunkt der Ankündigung nicht krank war und sich auch nicht krank fühlen konnte, so sei ein solches Verhalten ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Erkrankung an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben.
Dagegen sei der krankheitsbedingt arbeitsunfähige Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet und der Arbeitgeber nicht berechtigt, diese zu verlangen. Dies gelte auch, wenn der Arbeitnehmer bislang trotz bestehender Erkrankung und insofern überobligatorisch gearbeitet haben sollte. Sei der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Androhung eines künftigen, krankheitsbedingten Fehlens bereits objektiv erkrankt und habe er davon ausgehen dürfen, auch weiterhin arbeitsunfähig zu sein, könne nicht mehr angenommen werden, dass fehlender Arbeitswille und nicht bestehende Arbeitsunfähigkeit der Grund für das spätere Fehlen sei. Dies sei vorliegend der Fall, da der Fahrer ausweislich seines ärztlichen Attests zum fraglichen Zeitpunkt krank gewesen sei.
Das Gericht kam deshalb zu dem Schluss, dass die außerordentliche (fristlose) Kündigung unwirksam sei. Am Ende saß der Arbeitgeber aber doch am längeren Hebel: Da in dem Betrieb weniger als 10 Arbeitnehmer beschäftigt waren, bestätigten die Richter die Wirksamkeit der ebenfalls ausgesprochenen ordentlichen Kündigung unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfrist. Dieser konnte der Lkw-Fahrer nichts entgegensetzen, da das Kündigungsschutzgesetz in solchen Kleinbetrieben nicht anwendbar ist.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.06.2011
Quelle: ra-online, Landesarbeitsgericht Mainz (vt/we)