18.10.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.

Dokument-Nr. 25239

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Urteil09.06.2017Landesarbeitsgericht Nürnberg7 Sa 231/16
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NZA-RR 2017, 522Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungsreport (NZA-RR), Jahrgang: 2017, Seite: 522
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Vorinstanz:
  • Arbeitsgericht Bamberg, Urteil19.04.2016, 4 Ca 718/15
ergänzende Informationen

Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil09.06.2017

Schmerzens­geld­anspruch einer in Ausbildung befindlichen Arzthelferin aufgrund Infizierung mit Hepatitis C bei BlutentnahmeFehlende Verwendung von Sicher­heits­kanülen begründet Haftung des ausbildenden Arztes

Infiziert sich eine in Ausbildung befindliche Arzthelferin bei einer Blutentnahme mit Hepatitis C, weil der ausbildende Arzt ausdrücklich auf die Verwendung von Sicher­heits­kanülen verzichtet, so kann dies ein Schmerzens­geld­anspruch in Höhe von 150.000 EUR rechtfertigen. Die Verwendung von Recap­ping­gefäßen entspricht nicht den Unfall­verhütungs­vorschriften. Dies geht aus einer Entscheidung des Landes­arbeits­gerichts Nürnberg hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Während ihres ersten Arbeitstages in ihrer neuen Ausbil­dungs­stätte infizierte sich eine in Ausbildung befindliche 20-jährige Arzthelferin im Mai 2011 mit Hepatitis C, als sie nach einer Blutentnahme die benutzte Kanüle im Wege des Recappings entsorgen wollte und sich dabei in den Finger stach. Auf die Verwendung von nach der TRBA 250 vorge­schriebenen Sicher­heits­kanülen hatte der ausbildende Arzt ausdrücklich verzichtet. Trotz des ersten Arbeitstages und des Umstandes, dass die Auszubildende in ihrer alten Ausbil­dungs­stelle nur mit Sicher­heits­kanülen gearbeitet hatte, sollte die Auszubildende die Blutentnahme vornehmen. Aufgrund der mit der Infizierung verbundenen Folgen klagte die Auszubildende gegen den Arzt auf Zahlung von Schmerzensgeld. Das Arbeitsgericht Bamberg wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung der Auszubildenden.

Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Verstoßes gegen arbeits­ver­tragliche Pflichten und arbeits­rechtliche Schutz­vor­schriften

Das Landes­a­r­beits­gericht Nürnberg entschied zu Gunsten der Auszubildenden und hob daher die Entscheidung des Arbeitsgerichts auf. Der Auszubildenden stehe ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu, da der ausbildende Arzt gegen arbeits­ver­tragliche Pflichten und arbeits­rechtliche Schutz­vor­schriften verstoßen habe. Der Arzt habe Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt, die nicht den Unfall­ver­hü­tungs­be­stim­mungen entsprachen. Seit 2008 seien Sicher­heits­kanülen zu verwenden. Dagegen sei es unzulässig herkömmliche Kanülen ohne Sicher­heits­klappe zu benutzen und gebrauchte Kanülen im Wege des Recappings zu entsorgen.

Kein Haftungs­privileg aufgrund Vorsatzes

Das Haftungs­privileg gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII greife nach Auffassung des Landes­a­r­beits­ge­richts nicht, wonach nur bei Vorsatz eine Haftung bestehe. Denn der Arzt habe gegen bestehende Schutz­vor­schriften vorsätzlich verstoßen und die Verlet­zungs­folgen zumindest bedingt vorsätzlich verursacht. Er habe sich ausdrücklich gegen die Verwendung von Sicher­heits­kanülen entschieden und es dem Zufall überlassen, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirkliche oder nicht. Auf einen glücklichen Ausgang der Blutentnahme habe er nicht vertrauen dürfen.

Schmerzensgeld von 150.000 EUR

Angesichts dessen, dass die Auszubildende ca. eineinhalb Jahre an Hepatitis C litt und die medikamentöse Behandlung der Erkrankung schwere Folgen mit sich brachte, erachtete das Landes­a­r­beits­gericht ein Schmerzensgeld von 150.000 EUR für angemessen. Die Auszubildende erlitt durch die Behandlung einen Dauerschaden in Form einer Schädigung der Leber und chronischen rheumatischen Arthritis. Als Folge dessen musste sie verschiedene Medikamente, wie insbesondere MTX zu sich nehmen, welches einer Schwangerschaft entgegensteht bzw. zu Missbildungen des Fötus führen könne. Sie war zudem zu 80 % schwerbehindert, teilweise erwerbsunfähig und litt unter depressiven Phasen. Darüber hinaus wirkten sich das schwere Verschulden des Arztes sowie dessen fehlende Einsicht schmer­zens­gel­der­höhend aus.

Quelle: Landesarbeitsgericht Nürnberg, ra-online (vt/rb)

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