14.11.2024
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Dokument-Nr. 5316

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Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil12.06.2007

Allein wegen einer schwachen Arbeitsleistung kann nicht gekündigt werdenArbeitgeber muss Ursache für Minderleistung erforschen und vor Kündigung eine Abmahnung aussprechen

Arbeitnehmer dürfen nicht allein wegen unter­durch­schnitt­licher Arbeits­leis­tungen (so genannte "Low-Performer") gekündigt werden. Ein Arbeitgeber darf eine Kündigung erst aussprechen, wenn keine Aussicht auf Besserung besteht und erst nachdem er den Arbeitnehmer mindestens einmal erfolglos abgemahnt hat. Vor einer Kündigung muss der Arbeitgeber auch die Gründe für die Minderleistung erforschen und diese möglichst beseitigen. Dies geht aus einem Urteil des Landes­a­r­beits­ge­richts Nürnberg hervor.

Im zugrunde liegenden Fall kündigte ein Spediteur einem 61 Jahre alten Kraftfahrer, der bereits mehr als 15 Jahre in der Spedition tätig war. Jahrelang hatte er ohne Komplikationen Heizöl ausgeliefert. Als der Bereich Heizöl verkauft wurde, widersprach der Arbeitnehmer dem Betrie­bs­übergang und blieb beim alten Arbeitgeber. Er fuhr nunmehr Farben und Materialien aus. Für die Touren benötigte er erheblich länger als andere Fahrer, obwohl er sich eine Zeit lang als Beifahrer mit den neuen Bedingungen vertraut machen könnte. Als nach einem dreiviertel Jahr immer noch keine Besserung eingetreten war, kündigte der Spediteur den Arbeitnehmer aus perso­nen­be­dingten Gründen.

Der Arbeitnehmer klagte vor dem Arbeitsgericht erfolgreich gegen die Kündigung. Das Landes­a­r­beits­gericht Nürnberg bestätigte das Urteil der ersten Instanz und wiesen die Berufung des Arbeitgebers gegen die erfolgreiche Kündi­gungs­schutzklage zurück.

Kündigung bei Minderleistung grundsätzlich möglich

Die Richter des Landes­a­r­beits­ge­richts führten aus, dass die Vorinstanz die Rechtsprechung des Bundes­a­r­beits­ge­richts zur Kündigung bei Leistungs­mängeln des Arbeitnehmers zutreffend angewandt habe. Danach könne eine perso­nen­be­dingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber für das vereinbarte Entgelt keine angemessene Gegenleistung erhalte. Dies könne der Fall sein, wenn die Leistungen des Arbeitnehmers die normale Durch­schnitts­leistung vergleichbarer Arbeitnehmer langfristig um ein Drittel oder mehr unterschreiten (siehe BAG, Urteil v. 11.12.2003 - 2 AZR 667/02 -). Hierfür gebe es nach dem Sachvortrag des Arbeitgebers Ansatzpunkte. Er habe nunmehr in der Berufung vorgetragen, welche Fahrer nach welchen Anlernzeiten die Touren innerhalb der üblichen Arbeitszeit zu bewältigen in der Lage gewesen seien. Die unstreitig vom Kläger für die Fahrten benötigte Zeit überschreite diese "Normalzeit" sehr deutlich.

Abmahnung erforderlich

Die Richter führten aus, dass der Arbeitgeber dennoch nicht alles Erforderliche getan habe, um dem Kläger die Erbringung der Arbeitsleistung in angemessener Form zu ermöglichen. Er habe den Kläger nicht abgemahnt, begründet die Kündigung allein mit der fehlenden persönlichen Fähigkeit des Klägers, die Leistung innerhalb angemessener Zeit zu erbringen. Er habe selbst ausgeführt, dass der Kläger entweder keinerlei Orien­tie­rungssinn habe, oder er könne die Lieferscheine nicht ausreichend lesen oder verstehen. Offenbar habe der Arbeitgeber nicht einmal untersucht, wo die eigentlichen Probleme des Klägers mit der nunmehr zu erbringenden Arbeitsleistung liegen.

Arbeitgeber muss Ursache für Minderleistung erforschen

Zudem habe der Arbeitgeber nicht in ausreichendem Maße versucht, dem Kläger Hilfestellungen zu leisten. Selbst wenn der Kläger, sechs Wochen mit anderen Kollegen mitgefahren sei, genüge dies nicht. Gerade beim "Mit"-Fahren sind die Defizite offenbar nicht in deutlicher Form zu erkennen gewesen. Es wäre ihr ein Leichtes gewesen, eine andere Person beim Kläger mitfahren zu lassen, um festzustellen, welche Probleme wirklich hinsichtlich der Arbeitsleistung bestünden. Gerade bei einem Arbeitnehmer, der im Kündi­gungs­zeitpunkt mehr als 15 Jahre beschäftigt war und fast 61 Jahre alt war, wäre es ihr zumutbar gewesen, dement­spre­chende Anstrengungen zu unternehmen.

Kündigung muss Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz beachten

Auch die Kündigung eines Arbeitnehmers, der schlechtere Leistungen erbringe als erwartet, müsse nach § 1 Abs. 2 KSchG "bedingt", also das letztmögliche Mittel sein. Der Arbeitgeber müsse daher vor der Kündigung erfolglos alles ihm Zumutbare versucht haben, die im Arbeitsverhältnis aufgetretene Störung abzustellen. Hierzu hätte gehört, dass festgestellt wird, ob der Kläger die Lieferscheine nicht ausreichend lesen kann, ob er sie nicht versteht, ob er die Touren nicht in der günstigsten Reihenfolge abserviert, ob ihm der Orien­tie­rungssinn bei der Anfahrt zum nächsten Kunden fehlt oder was sonst das Problem darstellt. Hätte man dies festgestellt, wären auch andere - zumutbare - Verbesserungen vorstellbar, führte das Gericht aus.

Quelle: ra-online

der Leitsatz

1. Eine Kündigung wegen perso­nen­be­dingter Minder­leis­tungen ist nur berechtigt, wenn auch zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass keine Besserung der Arbeitsleistung erwartet werden kann; hierfür kann der erfolglose Ausspruch einer Abmahnung Indiz sein.

2. Der Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz erfordert es, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung alles Zumutbare unternimmt, um die Ursache der Minderleistung zu erforschen und entsprechende Hilfestellungen zu versuchen. Daher kann der Arbeitgeber nicht offen lassen, ob beim Fahrer Lade-, Lese- oder Orien­tie­rungs­probleme für die regelmäßigen Verspätungen ursächlich sind.

3. Der Arbeitgeber muss schließlich nachvollziehbar darstellen und gegebenenfalls beweisen, dass und warum zumutbare Organisations- und Abhil­fe­maß­nahmen nicht versucht worden sind oder erfolglos geblieben wären.

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