Im zugrunde liegenden Fall kündigte ein Spediteur einem 61 Jahre alten Kraftfahrer, der bereits mehr als 15 Jahre in der Spedition tätig war. Jahrelang hatte er ohne Komplikationen Heizöl ausgeliefert. Als der Bereich Heizöl verkauft wurde, widersprach der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang und blieb beim alten Arbeitgeber. Er fuhr nunmehr Farben und Materialien aus. Für die Touren benötigte er erheblich länger als andere Fahrer, obwohl er sich eine Zeit lang als Beifahrer mit den neuen Bedingungen vertraut machen könnte. Als nach einem dreiviertel Jahr immer noch keine Besserung eingetreten war, kündigte der Spediteur den Arbeitnehmer aus personenbedingten Gründen.
Der Arbeitnehmer klagte vor dem Arbeitsgericht erfolgreich gegen die Kündigung. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg bestätigte das Urteil der ersten Instanz und wiesen die Berufung des Arbeitgebers gegen die erfolgreiche Kündigungsschutzklage zurück.
Die Richter des Landesarbeitsgerichts führten aus, dass die Vorinstanz die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Kündigung bei Leistungsmängeln des Arbeitnehmers zutreffend angewandt habe. Danach könne eine personenbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber für das vereinbarte Entgelt keine angemessene Gegenleistung erhalte. Dies könne der Fall sein, wenn die Leistungen des Arbeitnehmers die normale Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer langfristig um ein Drittel oder mehr unterschreiten (siehe BAG, Urteil v. 11.12.2003 - 2 AZR 667/02 -). Hierfür gebe es nach dem Sachvortrag des Arbeitgebers Ansatzpunkte. Er habe nunmehr in der Berufung vorgetragen, welche Fahrer nach welchen Anlernzeiten die Touren innerhalb der üblichen Arbeitszeit zu bewältigen in der Lage gewesen seien. Die unstreitig vom Kläger für die Fahrten benötigte Zeit überschreite diese "Normalzeit" sehr deutlich.
Die Richter führten aus, dass der Arbeitgeber dennoch nicht alles Erforderliche getan habe, um dem Kläger die Erbringung der Arbeitsleistung in angemessener Form zu ermöglichen. Er habe den Kläger nicht abgemahnt, begründet die Kündigung allein mit der fehlenden persönlichen Fähigkeit des Klägers, die Leistung innerhalb angemessener Zeit zu erbringen. Er habe selbst ausgeführt, dass der Kläger entweder keinerlei Orientierungssinn habe, oder er könne die Lieferscheine nicht ausreichend lesen oder verstehen. Offenbar habe der Arbeitgeber nicht einmal untersucht, wo die eigentlichen Probleme des Klägers mit der nunmehr zu erbringenden Arbeitsleistung liegen.
Zudem habe der Arbeitgeber nicht in ausreichendem Maße versucht, dem Kläger Hilfestellungen zu leisten. Selbst wenn der Kläger, sechs Wochen mit anderen Kollegen mitgefahren sei, genüge dies nicht. Gerade beim "Mit"-Fahren sind die Defizite offenbar nicht in deutlicher Form zu erkennen gewesen. Es wäre ihr ein Leichtes gewesen, eine andere Person beim Kläger mitfahren zu lassen, um festzustellen, welche Probleme wirklich hinsichtlich der Arbeitsleistung bestünden. Gerade bei einem Arbeitnehmer, der im Kündigungszeitpunkt mehr als 15 Jahre beschäftigt war und fast 61 Jahre alt war, wäre es ihr zumutbar gewesen, dementsprechende Anstrengungen zu unternehmen.
Auch die Kündigung eines Arbeitnehmers, der schlechtere Leistungen erbringe als erwartet, müsse nach § 1 Abs. 2 KSchG "bedingt", also das letztmögliche Mittel sein. Der Arbeitgeber müsse daher vor der Kündigung erfolglos alles ihm Zumutbare versucht haben, die im Arbeitsverhältnis aufgetretene Störung abzustellen. Hierzu hätte gehört, dass festgestellt wird, ob der Kläger die Lieferscheine nicht ausreichend lesen kann, ob er sie nicht versteht, ob er die Touren nicht in der günstigsten Reihenfolge abserviert, ob ihm der Orientierungssinn bei der Anfahrt zum nächsten Kunden fehlt oder was sonst das Problem darstellt. Hätte man dies festgestellt, wären auch andere - zumutbare - Verbesserungen vorstellbar, führte das Gericht aus.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.01.2008
Quelle: ra-online