21.11.2024
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Dokument-Nr. 5317

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Urteil11.12.2003Bundesarbeitsgericht2 AZR 667/02
Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil27.08.2002, 19 (11) Sa 1167/01
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil11.12.2003

BAG zur Kündigung gegenüber leistungs­schwachen Arbeitnehmern ("Low Performer")

Ein Arbeitgeber kann einem Arbeitnehmer personen- oder auch verhal­tens­bedingt kündigen, wenn dieser keine angemessene Gegenleistung erbringt. Eine verhal­tens­be­dingte Kündigung setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer nicht angemessen ausschöpft und ihm daher eine Pflicht­ver­letzung vorgeworfen werden kann. Eine perso­nen­be­dingte Kündigung kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum erheblich leistungs­schwächer als andere Mitarbeiter ist. Dies hat das Bundes­a­r­beits­gericht entschieden.

Der über 55 Jahre alte Kläger ist seit 1980 bei dem beklagten Einzel­han­dels­un­ter­nehmen beschäftigt. Als Kommissionierer hat er die Aufgabe, mit Hilfe eines Förderfahrzeugs Warengebinde aus Regalen zu ziehen und in Behälter zu verladen. Die Beklagte zahlt neben dem Grundlohn eine Prämie, wenn der Arbeitnehmer eine "Normalleistung 1," übertrifft. Nach Darstellung der Beklagten erreichte der Kläger über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr nur zwischen ,52 und ,59 der "Normalleistung" und unterschritt die Durch­schnitts­leistung um 40 bis 50 vH. Nachdem die Beklagte den Kläger in zwei Abmahnungen erfolglos aufgefordert hatte, mindestens eine Leistung von 100 vH zu erzielen, kündigte sie das Arbeits­ver­hältnis fristgerecht zum 28. Februar 2001 wegen dauerhafter Minderleistung. Der Kläger hat mit der Kündi­gungs­schutzklage geltend gemacht, er sei nicht verpflichtet, eine bestimmte Norm zu erreichen. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurück­ver­weisung der Sache an das Landes­a­r­beits­gericht.

Die Kündigung gegenüber einem leistungs­schwachen Arbeitnehmer kann nach § 1 Abs. 2 KSchG als verhal­tens­be­dingte oder als perso­nen­be­dingte Kündigung gerechtfertigt sein. Eine verhal­tens­be­dingte Kündigung setzt voraus, daß dem Arbeitnehmer eine Pflicht­ver­letzung vorzuwerfen ist. Ein Arbeitnehmer genügt - mangels anderer Vereinbarungen - seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungs­fä­higkeit arbeitet. Er verstößt gegen seine Arbeitspflicht nicht allein dadurch, daß er eine vom Arbeitgeber gesetzte Norm oder die Durch­schnitts­leistung aller Arbeitnehmer unterschreitet. Allerdings kann die längerfristige deutliche Unterschreitung des Durchschnitts ein Anhaltspunkt dafür sein, daß der Arbeitnehmer weniger arbeitet als er könnte. Legt der Arbeitgeber dies im Prozeß dar, so muß der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz unter­durch­schnitt­licher Leistungen seine Leistungs­fä­higkeit ausschöpft. Eine perso­nen­be­dingte Kündigung kommt hingegen in Betracht, wenn bei einem über längere Zeit erheblich leistungs­schwachen Arbeitnehmer auch für die Zukunft mit einer schweren Störung des Vertrags­gleich­ge­wichts zu rechnen ist. Voraussetzung ist hier allerdings, daß ein milderes Mittel zur Wieder­her­stellung des Vertrags­gleich­ge­wichts nicht zur Verfügung steht und dem Schutz älterer, langjährig beschäftigter und erkrankter Arbeitnehmer ausreichend Rechnung getragen wird.

Im Streitfall kann die Kündigung sowohl aus verhaltens- als auch aus perso­nen­be­dingten Gründen gerechtfertigt sein, da der Kläger nach den Behauptungen der Beklagten über einen längeren Zeitraum mit nur 50 bis 60 vH der Leistung vergleichbarer Arbeitnehmer erheblich unter­durch­schnittliche Leistungen erbracht hat. Allerdings fehlt es insbesondere hinsichtlich der Ursachen hierfür noch an weiteren Tatsa­chen­fest­stel­lungen, weshalb der Rechtsstreit an das Landes­a­r­beits­gericht zurückverwiesen wurde.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 82/03 des BAG vom 11.12.2003

der Leitsatz

1. Auf Pflicht­ver­let­zungen beruhende Minder­leis­tungen des Arbeitnehmers können geeignet sein, eine ordentliche Kündigung aus verhal­tens­be­dingten Gründen zu rechtfertigen.

a) Der Arbeitnehmer muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungs­fä­higkeit arbeiten.

b) Kennt der Arbeitgeber lediglich die objektiv messbaren Arbeits­er­gebnisse, so genügt er im Kündi­gungs­schutz­prozess seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen ersichtlich ist, dass die Leistungen des Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durch­schnitts­leistung erheblich unterschreiten. Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, hierauf zu entgegnen, zB darzulegen, warum er mit seiner deutlich unter­durch­schnitt­lichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungs­fä­higkeit ausschöpft. Trägt der Arbeitnehmer derartige Umstände nicht vor, gilt das schlüssige Vorbringen des Arbeitgebers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Es ist dann davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer seine Leistungs­fä­higkeit nicht ausschöpft.

2. Eine perso­nen­be­dingte Kündigung wegen Minder­leis­tungen setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer gegen die subjektiv zu bestimmende Leistungs­pflicht verstößt. Es kommt darauf an, ob die Arbeitsleistung die berechtigte Erwartung des Arbeitgebers von der Gleich­wer­tigkeit der beiderseitigen Leistungen in einem Maße unterschreitet, dass ihm ein Festhalten an dem (unveränderten) Arbeitsvertrag unzumutbar wird.

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