21.11.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil17.01.2008

BAG zur Kündigung gegenüber leistungs­schwachen ArbeitnehmernDreimal so viele Packfehler wie der Durchschnitt rechtfertigen verhal­tens­be­dingte Kündigung

Eine Arbeitnehmerin, die über einen längeren Zeitraum eine qualitativ erheblich unter­durch­schnittliche Leistung erbringt, kann aus verhal­tens­be­dingten Gründen gekündigt werden. Dies hat das Bundes­a­r­beits­gericht entschieden. Bei einer Fehlerquote von etwa dem Dreifachen des Durchschnitts anderer Mitarbeiter kann eine unter­durch­schnittliche Leistung nach Ansicht des Bundes­a­r­beits­ge­richts vorliegen.

Die verhal­tens­be­dingte Kündigung gegenüber einem leistungs­schwachen Arbeitnehmer kann nach § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine arbeits­ver­trag­lichen Pflichten dadurch vorwerfbar verletzt, dass er fehlerhaft arbeitet. Ein Arbeitnehmer genügt - mangels anderer Vereinbarungen - seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungs­fä­higkeit arbeitet. Er verstößt gegen seine Arbeitspflicht nicht allein dadurch, dass er die durch­schnittliche Fehler­häu­figkeit aller Arbeitnehmer überschreitet. Allerdings kann die längerfristige deutliche Überschreitung der durch­schnitt­lichen Fehlerquote je nach tatsächlicher Fehlerzahl, Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt. Legt der Arbeitgeber dies im Prozess dar, so muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz erheblich unter­durch­schnitt­licher Leistungen seine Leistungs­fä­higkeit ausschöpft.

Die Klägerin ist seit 1995 in dem Versandkaufhaus der Beklagten als Lager- und Versand­a­r­beiterin beschäftigt. Sie ist im „Sorter-Versand“ eingesetzt, wo Warensendungen auf der Grundlage der Kunden­be­stel­lungen fertiggestellt werden. Nach den Feststellungen der Beklagten wiesen die von der Klägerin gepackten Sendungen über einen längeren Zeitraum hinweg zumindest ca. dreimal so viele Packfehler auf wie dies der durch­schnitt­lichen Fehlerquote an vergleichbaren Arbeitsplätzen entsprach. Nachdem auch zwei Abmahnungen und weitere Maßnahmen der Beklagten die Fehlerquote der Klägerin nicht nachhaltig gesenkt hatten, kündigte die Beklagte der Klägerin fristgerecht wegen qualitativer Minderleistung. Die Klägerin hat mit ihrer Kündi­gungs­schutzklage ua. geltend gemacht, angesichts der Gesamtzahl der von ihr gepackten Pakete falle die ihr angelastete Fehlerquote nicht ins Gewicht. Die Beklagte hat demgegenüber unter Darlegung der Packfehler im Einzelnen darauf hingewiesen, die von der Klägerin verursachten Packfehler (Kunden­ver­wechs­lungen, fehlende Einzelteile etc.) führten in dieser Häufigkeit bei Kunden zum Imageverlust. Durch die Fehlerbehebung entstünden auch nicht unerhebliche Kosten.

Die Vorinstanzen haben nach dem Klageantrag erkannt und dabei vor allem darauf abgestellt, eine Fehlerquote von ca. dem Dreifachen des Durchschnitts der anderen Mitarbeiter sei bei einer derartigen Tätigkeit schon an sich nicht geeignet, eine Kündigung sozial zu rechtfertigen. Dem ist der Zweite Senat des Bundes­a­r­beits­ge­richts nicht gefolgt. Die Kündigung kann aus verhal­tens­be­dingten Gründen gerechtfertigt sein, da die Klägerin nach den Behauptungen der Beklagten über einen längeren Zeitraum eine qualitativ erheblich unter­durch­schnittliche Leistung erbracht hat. Allerdings fehlt es hinsichtlich der konkret der Klägerin vorgeworfenen Fehler und ihrer Ursachen noch an weiteren Tatsa­chen­fest­stel­lungen und außerdem an einer ausreichenden Inter­es­se­n­ab­wägung. Deshalb ist der Rechtsstreit an das Landes­a­r­beits­gericht zurückverwiesen worden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 05/08 des BAG vom 17.01.2008

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